Seelennacht
idealen Versteck machte. Tori war anderer Meinung.
»Wir sind doch Zielscheiben hier«, zischte sie. »Die brauchen nichts weiter tun, als die Plane hochheben, und schon sehen sie uns.«
»Wenn sie in die Nähe kommen, rennen wir eben weiter.«
»Woher sollen wir’s rechtzeitig wissen? Wir sehen hier nichts!«
»Liz steht Schmiere.« Ich arrangierte meine Beine zu einer etwas bequemeren Stellung. »Wo wir es gerade von Liz haben …«
»Sie ist tot.« Ihre Stimme klang hart und heiser. »Ich hab meine Mutter reden hören. Sie hat sie umgebracht, stimmt’s? Sie und die anderen Typen.«
»Ich erklär’s dir später. Wir sollten leise sein. Wenn jemand uns hört …«
»Keiner in der Nähe, weißt du noch? Weil Liz –
meine
Freundin Liz – nämlich ein Geist ist und Schmiere steht. Anscheinend hilft sie dir schon seit ich weiß nicht wann, und du hattest es nicht mal nötig, mir zu sagen, dass sie tot ist, dass die sie
ermordet
haben.«
»Ich habe Rae erzählt …«
»Natürlich. Rachelle. Und, hat sich das bewährt?« Tori fing meinen Blick auf. »Wenn du wissen willst, wer euch verpfiffen hat, dann guck mal in
die
Richtung.«
»Rae? Nein. Sie hätte nie …«
»Na ja, irgendwer hat jedenfalls gepetzt. Wenn ich’s nicht war und du’s nicht warst und keiner von den beiden Jungs es war, wer ist dann noch übrig?«
»W-wir sollten wirklich leise sein. Stimmen können hallen …«
»Wirklich? Wow. Jetzt gibst du auch noch Physikstunden. Hat Derek dir das beigebracht?«
»Tori?«
»Was?«
»Halt einfach den Mund.«
Sie tat es, etwa fünf Sekunden lang, dann sagte sie: »Hätte Liz sich inzwischen nicht mal melden sollen? Woher sollen wir wissen, dass sie noch da ist?«
»Sie kommt und geht. Deswegen brauche ich dieses Sweatshirt …«
Liz kam durch die Plane hindurchgestürzt und blieb neben uns stehen. »Sag ihr, sie soll
still
sein!«
»Hab ich schon«, flüsterte ich. »Mehrmals.«
»Sie haben euch gehört und kommen grade her. Deine Tante und ein Typ mit einem Gewehr.«
Ich gab dies flüsternd an Tori weiter.
»Was? Warum sitzen wir dann noch hier?« Sie machte Anstalten, zur Seite hin davonzustürzen.
Ich packte sie am Arm.
»Hey!«, sagte sie, laut genug, dass Liz zusammenzuckte.
»Aus welcher Richtung kommen sie?«, fragte ich.
Liz zeigte nach links. Ich kroch nach rechts und hob die Plane an.
Liz rannte hinter mir her. »Ich seh sie nicht mehr.«
Ich kniff im hellen Sonnenlicht die Augen zusammen. Etwa sechs Meter entfernt war die Wand eines Gebäudes, aber ich sah keine Tür. Ich beugte mich vor, um besser sehen zu können. Links von mir stand eine Gruppe rostiger Tonnen. Wir konnten uns zwischen …
»Chloe!«, schrie Liz. »Er ist genau …«
Ein lauter Knall von der Ladefläche des Anhängers schnitt ihr das Wort ab.
»Zurück!«, rief Liz. »Zurück!«
»Was ist los?«, flüsterte Tori. »Mach schon!«
Als ich versuchte, mich rückwärts wieder unter den Anhänger zu schieben, gab Tori mir von hinten einen Stoß, und ich schoss unter dem Anhänger hervor und landete mit dem Gesicht nach unten im Dreck.
»Na, das war ja einfach«, sagte eine Stimme.
Ich wälzte mich auf den Rücken. Oben auf der Ladefläche stand Mike – der Mann, der am Samstagabend auf uns geschossen hatte.
»Lauren?«, sagte er. »Geben Sie lieber mir das Gewehr, ich mache das schon.«
Ohne den Blick von mir zu wenden, sprang er auf den Boden hinunter. Er streckte die Hand aus, als Tante Lauren um das Heck des Anhängers herumkam, das Betäubungsgewehr in den Händen.
»Es tut mir leid, Chloe«, sagte sie und richtete das Gewehr auf mich.
»N-nein. I-ich werde mich nicht wehren. Ich …«
Sie schwang die Waffe zur Seite und feuerte auf Mike. Der Pfeil traf ihn in den Arm. Er starrte ihn an, dann gaben seine Knie nach.
Tante Lauren rannte zu mir herüber und half mir auf die Beine. »Tori, komm raus da. Er hat den anderen über Funk Bescheid gegeben, als er euch gehört hat.«
Ich trat zurück, den Blick auf Tante Lauren gerichtet, während ich gleichzeitig Tori ein Zeichen gab, sie solle sich bereithalten loszurennen. Tante Lauren packte mich am Arm, aber als ich auszuweichen versuchte, ließ sie los und tat einen Schritt zurück.
»Was glaubst du, warum ich ihn angeschossen habe?«, fragte sie. »Warum habe ich Tori so ohne weiteres entkommen lassen? Ich versuche, euch zu helfen. Wir finden die Jungs, und dann finden wir Kit – Simons Vater.«
Ein merkwürdiges Geräusch
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