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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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es jetzt Zeit, den Ausweichplan zu aktivieren. Mach mir das Leben zur Hölle, mach mir so klar, dass ich nicht willkommen bin, dass ich mich von allein davonschleiche.«
    »Ich würde nie …«
    »Nein, wirst du auch nicht.« Ich hielt seinen Blick fest. »Weil ich nämlich nicht von allein davonschleiche, Derek. Wenn es zu lästig ist, mich zu behalten, dann hab doch wenigstens den Mumm, mir zu sagen, dass ich verschwinden soll.«
    Ich schob mich an ihm vorbei und ließ ihn stehen.
     
    Weit kam ich nicht. Ich rannte fast mit Simon und Tori zusammen, als Derek uns einholte. Und dann bekam er seinen Willen. Nicht insofern, als dass er mich vertrieben hätte – da musste er sich noch bisschen mehr Mühe geben. Aber die neuesten Entwicklungen lieferten ihm genug Argumente, um Simon zu überzeugen, dass es Zeit wurde, den Freund ihres Vaters aufzusuchen. Der Bus ging um vier. Zunächst allerdings brauchte die Halbe-Million-Dollar-Ausreißerin eine Verkleidung.
    Derek führte mich zu dem Klohäuschen des Parks, den ich vom Dach aus gesehen hatte. Das Gebäude war außerhalb der Sommersaison abgeschlossen, aber er brach mühelos das Schloss auf und begleitete mich ins Innere. Dort vergewisserte er sich, dass das Wasser nicht abgeschaltet war, und knallte eine Packung Haartönung auf die Ablage.
    »Das musst du loswerden«, sagte er, während er auf mein Haar zeigte.
    »Ich könnte einfach die Kapuze …«
    »Haben wir schon probiert.«
    Er ging hinaus.
    Ich hatte Mühe, in dem schwachen Licht, das durch eine Reihe kleiner schmutziger Fenster hereinfiel, überhaupt etwas zu erkennen. Die Anweisungen waren kaum zu lesen, aber das Zeug sah ähnlich aus wie die rote Tönung, die ich für die Strähnchen verwendet hatte, also trug ich es auf die gleiche Art auf. Ich konnte nicht sehen, welche Farbe Derek ausgesucht hatte. Es kam mir schwarz vor, aber die rote Tönung hatte auch schwarz ausgesehen, das hieß also nichts. Ich machte mir nicht allzu viele Gedanken darüber, bis ich die Tönung herausgewaschen hatte, in den Spiegel sah, und …
    Meine Haare waren schwarz.
    Ich rannte zur Tür und öffnete sie, um etwas mehr Licht reinzulassen. Dann kehrte ich zum Spiegel zurück.
    Schwarz. Kein schimmerndes, seidiges Schwarz wie bei Toris Haaren, sondern ein stumpfes, mattes Schwarz.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war ich von meiner aktuellen Frisur nicht gerade begeistert gewesen. Ich hatte mein langes glattes Haar auf Schulterlänge kürzen und stufig schneiden lassen, und das Ergebnis sah an mir dünn und flusig und etwas verloren aus. Nichtsdestoweniger, das Schlimmste, was man darüber sagen konnte, war, dass es mich »niedlich« wirken ließ – etwas, was man mit fünfzehn nicht unbedingt hören möchte. In Schwarz allerdings war das Ganze nicht niedlich. Es sah aus, als hätte ich mir die Haare mit der Küchenschere vom Kopf geschnitten.
    Ich trug nie Schwarz, weil es jede Farbe aus meinem blassen Gesicht saugte. Und jetzt sah ich, dass es etwas gab, was mich noch kaputter aussehen ließ als ein schwarzes T-Shirt.
    Ich sah aus wie eine Gothic-Tussi. Eine kranke Gothic-Tussi, weiß und hohläugig.
    Ich sah
tot
aus.
    Ich sah aus wie eine Nekromantin. Wie diese scheußlichen Bilder von Nekromanten im Internet.
    Tränen stiegen mir in die Augen. Ich blinzelte sie fort, griff nach ein paar Papierhandtüchern und begann, die verbliebenen Farbreste ungeschickt auf meine Augenbrauen zu tupfen in der Hoffnung, dass es die Angelegenheit etwas besser machen würde.
    Im Spiegel sah ich Tori hereinkommen. Und stehen bleiben.
    »O. Mein. Gott.«
    Es wäre besser gewesen, wenn sie losgelacht hätte. Ihr entsetzter Blick und dann etwas, das aussah wie Mitgefühl, teilten mir mit, dass es wirklich so übel war, wie ich dachte.
    »Ich hab Derek gesagt, er soll mich die Farbe aussuchen lassen«, sagte sie. »Ich hab’s ihm
gesagt.
«
    »Hey«, rief Simon zu uns herein. »Alle vorzeigbar?«
    Er stieß die Tür auf, sah mich und zwinkerte.
    »Das ist Dereks Schuld«, sagte Tori. »Er …«
    »Nicht, bitte«, sagte ich. »Kein Streit mehr.«
    Simon warf trotzdem noch einen wütenden Blick über die Schulter, als Derek die Tür öffnete.
    »Was?«, fragte Derek. Er sah mich an. »Huh?«
    Tori schob mich zur Tür hinaus, wobei sie sich mit einem geflüsterten »Arschloch« an Dereks Adresse an den beiden Jungs vorbeidrückte.
    »Wenigstens weißt du jetzt, dass du’s nie wieder mit Dunkel zu versuchen brauchst«, sagte sie im Gehen. »Vor ein

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