Seelennacht
müssen wir uns dein Mädchen greifen und so lang behalten, bis du zurückkommst und dir anhörst, was ich zu sagen habe.«
Derek wurde sehr still, aber ich spürte sein Herz an meinem Rücken hämmern, hörte die flachen Atemzüge, während er versuchte, ruhig zu bleiben. Meine Hand glitt in die Jackentasche und umschloss das Messer. Derek drückte mir die Schulter.
»Es ist okay«, flüsterte er. »Es ist okay.« Aber sein Herz hämmerte weiter und verriet mir, dass es nicht okay war.
»Na sicher«, sagte Liam. »Wird schon alles klargehen. Das Rudel, das sind keine Monster. Dieser arme Waisenjunge, der hat einfach Mist gemacht. Er wird’s nie wieder tun. Die verstehen das schon. Er hat wahrscheinlich eine Chance von …« Er sah Ramon an. »Fünfzig zu fünfzig?«
Ramon überlegte und nickte dann.
Liam wandte sich wieder an uns. »Eine Fifty-Fifty-Chance zu überleben. Und selbst wenn nicht, sie werden’s schnell machen. Ohne Kettensäge.«
»Warum erzählt ihr uns das?«, fragte ich. Es kam mir vor wie eine dieser klassischen Szenen bei James Bond, in denen der Schurke erklärt, was er Bond alles antun wird, und ihm damit Gelegenheit gibt, sich einen Fluchtplan zu überlegen. Ich hoffte wirklich sehr, dass Derek genau das gerade tat. Ich war vielleicht keine große Hilfe – nicht, wenn es darum ging, Pläne gegen Werwölfe zu schmieden –, aber ich war wirklich gut darin, Zeit zu schinden.
»Gute Frage, Süße. Warum ihn nicht einfach packen, verschnüren, ins Auto schmeißen und denen in Syracuse ins Haus liefern? Weil der Alpha kein Idiot ist. Wenn wir dem einen Jungen mitbringen, der brüllt, dass er’s nicht war, dann hört er am Ende noch zu. Verstehst du, es gibt nur eine Methode, wie das funktionieren kann. Nämlich wenn dein Freund freiwillig mitkommt und gesteht.«
Derek schnaubte. »Alles klar.«
»Gefällt dir der Plan etwa nicht?«
Derek warf ihm nur einen Blick zu.
Liam seufzte. »Na schön. Dann eben die zweite Möglichkeit. Wir bringen dich um und amüsieren uns ein bisschen mit deinem Mädchen.«
»Ich erledige das Umbringen«, sagte Ramon. »Du kannst das Mädchen haben. Sie ist mir ein bisschen zu jung.«
Liam grinste. »Ich mag die Jungen.«
Während sein Blick an mir hinauf- und wieder hinunterwanderte, stellte sich jedes einzelne Härchen meines Körpers auf. Dereks Hände lagen wie ein Schraubstock um meine Schultern.
»Lasst sie aus der Sache raus«, grollte er.
»Nie im Leben.« Liam zeigte die Zähne. »Ich hatte ja fast gehofft, dass du nein sagen würdest. Ja sicher, es wäre nett, wenn wir dem Rudel einen Sündenbock vorwerfen könnten. Aber ein süßes kleines Ding, das schon weiß, wer ich bin? Das ist einfach …« Er lächelte. »Niedlich.«
Er musterte mich mit einem Blick, bei dem ich gegen Derek zurückschrak und das Messer umklammerte, bis mir die Finger weh taten. Als Liam einen weiteren Schritt auf uns zu machte, legte sich Dereks Arm um mich, und ein Knurren stieg aus seiner Magengrube auf.
Liam streckte die Hand in meine Richtung aus. Als Derek sich verspannte, zog er sie zurück. Dann tat er es wieder, testete die Reaktionen aus und lachte, bis auch Ramon anfing zu lachen.
»Das muss man sich mal ansehen«, sagte Liam. »Ich hab doch wirklich das Gefühl, der Welpe hat sich eine Gefährtin gesucht, ist das nicht süß?« Er beugte sich vor, zu Derek hin, und senkte die Stimme. »Es wird nicht halten. Tut es nie. Warum gibst du sie mir nicht gleich, und ich helfe dir, drüber wegzukommen? Schmerzhaft, aber kurz. Es ist wirklich am besten so.«
Derek schob mich hinter sich. Die beiden Werwölfe heulten auf vor Lachen.
»Ich glaube, er hat gerade nein gesagt«, sagte Ramon.
»Haltet sie aus der Sache raus«, forderte Derek.
Liam schüttelte den Kopf. »Aber wie könnte ich denn? Guck sie dir doch an. So winzig und so süß und mit diesen großen ängstlichen blauen Augen.« Er lehnte sich zur Seite, um mich hinter Derek sehen zu können. »Die Haare sind wirklich keine gute Idee. Ich rieche die Farbe bis hier. Welche Farbe haben deine Haare wirklich? Blond, würde ich sagen. Sie sieht wie eine Blonde aus.«
Bei seinem Blick drehte sich mir der Magen um.
»Wenn ich mit euch komme, dann kann sie gehen«, sagte Derek. »Okay?«
»Nein«, flüsterte ich.
»Natürlich kann sie«, sagte Liam.
»Derek«, flüsterte ich.
Er legte die Hand in den Rücken und gab mir ein Zeichen, still zu sein. Es war ein Trick. Er hatte einen Plan. Er musste
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