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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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»Damit er unserer Spur weiter folgt, wenn er hierherkommt, und glaubt, wir sind noch in dem Gebäude – er kann nicht wissen, dass wir auf unserer eigenen Fährte zurückgegangen sind. Gute Idee.«
    Knöcheltief durch das eisige Wasser zu waten schien den letzten Rest von Benommenheit aus Dereks Hirn zu vertreiben. Auf der anderen Seite der Lache übernahm er wieder die Führung und lenkte mich windabwärts, so dass Liam uns nicht wittern konnte. Dann scheuchte er mich in ein Café. Es waren nur wenige Gäste da, die sich alle um den Tresen drängten und mit dem Kellner schwatzten. Kein Mensch sah auch nur auf, als wir geradewegs zu den Toiletten gingen.
    Derek nahm mich mit zu den Herren und schloss die Tür ab. Er wuchtete mich auf den Waschtisch hinauf, bevor ich protestieren konnte, und schrubbte sich dann die Hände, die Ärmel bis zum Ellbogen hochgekrempelt, als bereitete er sich auf einen chirurgischen Eingriff vor.
    »Äh, Derek …?«
    Er hielt ein Papiertuch unter den Wasserhahn und nahm dann mein Kinn in die Hand, hob es an und wischte mir das Gesicht ab.
    »Derek? Ich bin nicht verletzt.«
    »Du bist mit Blut bedeckt.«
    »Aber nicht mit meinem eigenen. Wirklich. Es ist von …«
    »Dem Werwolf. Ich weiß.« Er griff nach meiner Hand und begann sie zu säubern. »Deswegen muss ich es ja runterkriegen.«
    »Derek?« Ich beugte mich vor und versuchte ihm ins Gesicht zu sehen. »Alles in Ordnung?«
    Er schrubbte weiter. »Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Werwolf zu werden. Entweder man wird als einer geboren, oder man wird von einem gebissen. Wenn der Speichel in den Blutkreislauf gerät, wirkt er wie ein Virus.«
    »Bei Blut auch?«
    »Dad sagt nein, es ist bloß der Speichel. Aber vielleicht irrt er sich, und du hast Kratzer und Schrammen und Blut überall.«
    Ich hatte ein
paar
Kratzer und Schrammen und war höchstens mit Blut bespitzt, aber ich hielt den Mund und ließ ihn weitermachen.
    Ich selbst versuchte währenddessen herauszufinden, wie übel er verletzt war. Seine Wangen waren zerkratzt, und Sandkörnchen hatten sich in die Haut gegraben. Seine Nase war blutig. Gebrochen? Ein Auge wurde bereits dunkel. War das Blut, das da im Augenwinkel? Seine Lippe war aufgesprungen und geschwollen. Waren Zähne locker? Ausgeschlagen?
    »Hör auf zu zappeln, Chloe.«
    Ich konnte nicht anders. Seine Verletzungen verlangten ganz offensichtlich mehr Aufmerksamkeit als meine, aber es hatte keinen Zweck, es auch nur auszusprechen, bevor er nicht fertig war.
    Irgendwann schien er jedes Spritzerchen Blut heruntergeschrubbt zu haben, zusammen mit mehreren Schichten Haut, und ich sagte: »Okay, jetzt zu dir.«
    »Zieh die Jacke und das Sweatshirt aus.«
    »Derek, ich bin
sauber.
Glaub mir einfach, ich war noch nie im Leben so sauber.«
    »Du hast Blut am Ärmelbund.«
    Als ich die Jacke auszog, verfing sich der Reißverschluss in meiner Kette.
    »Er hängt …«, begann ich.
    Derek versuchte es mit einem Ruck … und die Kette riss, der Anhänger fiel herunter. Er fluchte und fing ihn in der Hand auf, bevor er auf dem Boden landen konnte.
    » … an der Kette fest.«
    Derek fluchte noch mehr und sagte dann: »Es tut mir leid.«
    »Das Mädchen in der Gasse hat schon dran gezerrt«, log ich. »Wahrscheinlich war der Verschluss schon leicht lädiert. Nicht so schlimm.«
    Er sah auf den Anhänger in seiner Hand hinunter. »War der nicht rot?«
    Ich hatte ihn mir seit Tagen nicht angesehen – es hatte keine Spiegel gegeben, und die Kette hing unter meinem T-Shirt. Ich hatte zuvor selbst schon das Gefühl gehabt, dass die Farbe anders wirkte, aber jetzt hatte sie sich noch mehr verändert. Der Stein war beinah blau.
    »Ich glaube, es ist so eine Art Talisman«, sagte ich. »Meine Mom hat ihn mir gegeben, damit er die Schreckgespenster verscheucht – Geister, meine ich.«
    »Hm.« Er starrte den Stein an, schüttelte dann den Kopf und gab ihn mir zurück. »Dann behältst du ihn besser bei dir.«
    Ich schob ihn in die Hosentasche, ganz nach unten, wo er in Sicherheit war. Dann zog ich das Sweatshirt aus und schob die Ärmel des T-Shirts nach oben. Es war kein Blut durchgedrungen, aber er bestand trotzdem darauf, dass ich mir die Unterarme wusch.
    »Okay, und können wir uns jetzt
denjenigen
ansehen, der sich tatsächlich
geschlagen
hat? Da ist eine Menge Blut. Es scheint hauptsächlich aus deiner Nase gekommen zu sein.«
    »Ist es auch.«
    »Er hat dich ein paar Mal in die Brust geschlagen. Wie geht es deinen

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