Seelenprinz
ungläubig den Kopf.
Mit dieser Frau wurde es immer interessanter.
Dank GPS hatte er ihren Audi aus der Ferne geortet, als sie zielstrebig ihre Wohngegend verlassen hatte und auf den Northway gefahren war. Bei jeder Ausfahrt zu den Vororten erwartete er, dass sie abbiegen würde, doch mittlerweile hatten sie Caldwell weit hinter sich gelassen, und allmählich begann er zu fürchten, dass sie bis nach Manhattan durchfahren würde.
Doch dem war nicht so.
West Point, Heimat der ehrwürdigen Militärakademie der Menschen, lag ungefähr auf halbem Weg zwischen New York und Caldwell, und erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass sie dort den Blinker setzte. In Manhattan ging es hoch her, außerdem wollte er nicht zu weit weg von zu Hause, und das aus zwei Gründen: Erstens hatte er noch immer keine Nachricht von den Zwillingen, ob diese Drogendealer aufgetaucht waren, und zweitens würde es irgendwann dämmern, und er hatte keine Lust, den Range Rover mit seiner kostspieligen Sonderausstattung irgendwo am Straßenrand stehen zu lassen, weil er sich in Sicherheit dematerialisieren musste.
Nachdem sie den Highway hinter sich gelassen hatten, fuhr der Audi mit exakt fünfundvierzig Meilen pro Stunde durch einen Vorort, in dem sich Tankstellen, Ferienhotels und Fast-Food-Restaurants abwechselten. Danach wurde die Gegend teuer. Riesige Villen, weit nach hinten versetzt, saßen inmitten schneebedeckter Rasenflächen, und die niedrigen, losen Steinmauern bröckelten anheimelnd rechts und links der Straße vor sich hin. Doch sie fuhr an allen Grundstücken vorbei und bog schließlich ab auf den Parkplatz einer kleinen Parkanlage mit Blick auf den Fluss.
In dem Moment, als sie ausstieg, fuhr er an ihr vorbei und wandte den Kopf, um sie abzuschätzen.
Hundert Meter weiter parkte er am Straßenrand, wo sie ihn nicht sehen konnte. Als er ausstieg, blies ihm der beißende Wind entgegen, und er knöpfte seinen Zweireiher zu. Die Halbschuhe waren nicht eben ideal für eine Schneewanderung, aber das war ihm egal. Seine Füße würden mit der Kälte und Nässe schon zurechtkommen, und zu Hause wartete noch ein Dutzend Schuhe von dieser Sorte im Schrank.
Da der Peilsender an ihrem Auto und nicht an ihrem Körper befestigt war, behielt er sie nun im Auge. Und natürlich legte sie die Langlaufskier an und zog die weiße Skimaske über. In der hellen Tarnkleidung verschwand ihre zierliche Gestalt nahezu in der bläulichen Winterlandschaft.
Er begleitete sie.
In Abständen von fünfzehn bis zwanzig Metern dematerialisierte er sich vor ihr her und versteckte sich hinter Kiefern, während sie sich in raschem Gleitschritt zurück auf die Villen zubewegte.
Sie war unterwegs zu einem der großen Häuser, dachte er, während er sich stets in ihrer Nähe hielt, ihre Richtung vorwegnahm und meistens richtig lag.
Jedes Mal, wenn sie ihn ohne es zu bemerken passierte, drängte es ihn, sie anzuspringen. Sie zu Boden zu reißen. Und dann zuzubeißen.
Aus irgendeinem Grund weckte diese Menschenfrau seinen Appetit.
Katz-und-Maus-Spiele konnten äußerst erotisch sein, vor allem, wenn nur die Katze davon wusste.
Das Grundstück, das sie schließlich betrat, lag fast eine Meile entfernt, aber trotz der Distanz wurde sie kein einziges Mal langsamer. Sie stieg an der Ecke rechts vorn über die niedrige Mauer und nahm wieder Kurs auf.
Aber was sollte das? Wenn sie erwischt wurde, war sie auf diese Weise noch weiter von ihrem Auto entfernt. Wäre es nicht klüger gewesen, an der ihr zugewandten Flanke einzudringen? Denn jetzt bot sich ihr ohnehin keine Deckung, es gab keine Schutz bietenden Bäume und keine Ausrede, sollte man sie entdecken.
Es sei denn, sie kannte den Besitzer. Aber warum sollte sie sich dann verstecken und sich nachts anschleichen?
Das knapp drei Hektar große Grundstück stieg nach und nach zu einem großen Steinhaus von ungefähr zweitausend Quadratmetern an, die Auffahrt säumten moderne Skulpturen wie blinde, glänzende Wächter, nach hinten erstreckte sich der Garten. Die ganze Zeit über hielt sie sich an der Mauer, und als er ihr aus zwanzig Metern Abstand entgegenblickte, war er beeindruckt. Sie bewegte sich wie ein Lufthauch durch den Schnee, unsichtbar und schnell, und ihr Schatten fiel auf die graue Steinmauer, sodass er zu verschwinden schien…
Ach so.
Das war der Grund für die gewählte Route.
Denn tatsächlich warf das einfallende Mondlicht ihren Schatten genau auf die Mauer, was sie zusätzlich tarnte.
Ein
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