Seelenprinz
Herzstück lag geradeaus: In der holzgetäfelten Bar mit roten Ledergarnituren entlang der Wände trafen sich zu Zeiten, da geöffnet war, Lokalmatadore, Politiker und Reiche, während ein Barkeeper im Smoking hinter einer zehn Meter langen Theke aus edlem Holz ausschließlich vom Feinsten servierte.
Trez durchschritt den halbdunklen Raum, ging um das fünfstöckige Flaschenregal der Bar herum und durch die Schwingtür in die Küche. Am Geruch von Basilikum und Zwiebel, Oregano und Rotwein konnte er ablesen, wie gestresst sein Bruder war.
iAm stand vor dem Sechzehn-Flammen-Herd an der rückwärtigen Wand, vor ihm fünf große Töpfe, in denen es köchelte– und ganz gewiss garte es auch schon in den Öfen. Auf den stählernen Arbeitsflächen reihten sich Schneidebretter mit den abgetrennten Strünken diverser Paprikaschoten aneinander, daneben lagen ein paar sehr scharfe Messer.
Es war nicht schwer zu erraten, an wen iAm beim Schneiden und Hacken gedacht hatte.
» Redest du noch mit mir?«, fragte Trez an den Rücken seines Bruders gewandt.
Ohne ein Wort trat iAm auf einen Topf zu, hob den Deckel mit einem weißen Geschirrtuch an, versenkte einen langen Kochlöffel darin und rührte gemächlich.
Trez zog einen stählernen Hocker heran, setzte sich und strich an seinen Schenkeln auf und ab.
» Hallo?«
iAm wandte sich dem nächsten Topf zu. Und dann einem weiteren. Für jeden gab es einen eigenen Rührlöffel, denn iAm achtete peinlich genau darauf, dass sich der Inhalt der einzelnen Töpfe nicht vermengte.
» Hör zu, es tut mir leid, dass ich heute nicht da war, als du zum Club gekommen bist.« iAm kam jede Nacht ins Iron Mask und sah nach dem Rechten, wenn er im Sal’s Schluss gemacht hatte. » Ich musste mich da um etwas kümmern.«
Scheiße, ja, das musste er. Sein Babygirl mit dem Fleischklops-Lover hatte ewig gebraucht, um bei ihr zu Hause aus seinem Wagen zu steigen– schließlich hatte er sie zur Tür gebracht, für sie aufgesperrt und sie durch den Spalt geschoben wie eine Scheibe Weißbrot in den Toaster. Dann war er in seinen BMW gesprungen und aufs Gas gestiegen, als hätte er eine Bombe auf dem Gehsteig deponiert. Und während er zum Iron Mask zurückgeheizt war, hallten ihm iAms Worte durch den Kopf.
So kann es nicht weitergehen.
In diesem Moment drehte iAm sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Herd. Seine Oberarme waren ohnehin recht kräftig, aber so eingezwängt, wie sie jetzt waren, sprengten sie fast die Bündchen seines schwarzen T-Shirts.
Unter gesenkten Lidern blickte er Trez mit seinen mandelförmigen Augen an. » Glaubst du allen Ernstes, ich wäre sauer, weil du heute nicht im Club warst? Und das nicht zufällig deshalb, weil du mir die Sache mit AnsLai allein überlassen hast?«
Hurra, schon ging es also los.
» Aber ich kann ihnen nicht persönlich gegenübertreten, das weißt du doch.« Trez hob bedauernd die Hände, ganz nach dem Motto: Was soll ich tun? »Sie würden versuchen, mich zurückzuholen, und was bliebe mir dann übrig? Kämpfen? Ich würde diesen Mistkerl umbringen, aber was dann?«
iAm rieb sich die Augen, als hätte er Kopfschmerzen. » Im Moment sieht es aus, als würden sie es diplomatisch angehen. Zumindest mir gegenüber.«
» Wann kommen sie wieder?«
» Ich weiß es nicht– und das macht mich nervös.«
Trez wurde es ganz anders. Dass sein supersouveräner Bruder nervös war, fühlte sich an, als würde ihm jemand ein Messer an die Gurgel halten.
Dabei war ihm durchaus bewusst, wie gefährlich seine Angehörigen werden konnten. Grundsätzlich waren die s’Hisbe ein friedliebendes Volk, das sich aus dem Kampf mit der Gesellschaft der Lesser heraushielt und nichts mit den lästigen Menschen zu schaffen haben wollte. Sie waren gebildet, intelligent und spirituell ausgerichtet, im Großen und Ganzen also angenehme Zeitgenossen. Vorausgesetzt, man befand sich nicht auf ihrer schwarzen Liste.
Trez musterte die Töpfe und fragte sich, was für eine Sorte Fleisch da eigentlich in diesen Soßen schmorte. » Ich verbüße noch immer meine Schuld bei Rehv«, bemerkte er. » Diese Verpflichtung hat Vorrang.«
» Das sieht man in der s’Hisbe mittlerweile anders. AnsLai sagte wortwörtlich: ›Es ist an der Zeit.‹«
» Ich gehe nicht zurück.« Trez sah seinem Bruder in die Augen. » Kommt nicht infrage.«
iAm wandte sich wieder seinen Töpfen zu und rührte nacheinander mit den dazugehörigen Löffeln darin. » Ich
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