Seelenprinz
hatte, war mehr und mehr zur Verzweiflung geworden, bis er, völlig untypisch für ihn, nach jedem Strohhalm gegriffen hatte… doch selbst das war nun vorbei.
Welch Ironie. Sex war nur eine flüchtige körperliche Begegnung– und in Saxtons Leben hatte es viele Gelegenheiten gegeben, bei denen er auf nichts anderes aus gewesen war. Selbst mit Blaylock war das zu Beginn der Fall gewesen. Doch im Laufe der Zeit hatte sich sein Herz in die Angelegenheit verwickelt, und das hatte ihn dorthin gebracht, wo er heute stand.
Ans Ende der Fahnenstange.
» …trainieren.«
Saxton riss sich aus seinen Gedanken. » Wie bitte?«
» Ich werde ein bisschen trainieren.«
Nach dem Genuss von einer Karaffe Portwein? , dachte Saxton.
Einen Moment lang war er versucht, nachzubohren, auf einen genauen Bericht der Begebenheiten dieser Nacht zu drängen– als ob ihm das Erleichterung bringen könnte. Aber er war schlau genug, es zu lassen. Blay war eine gute, mitfühlende Seele, Folter wandte er nur als Teil seiner Arbeit an, wenn es nötig war.
Nichts würde Erleichterung bringen, kein Sex, kein Gespräch und auch nicht Schweigen.
Mit dem Gefühl, sich zu wappnen, knöpfte Saxton sein zweireihiges Jackett zu und überprüfte den Sitz der Krawatte. Ein kurzer Griff an die Brust verriet ihm, dass sein Einstecktuch nicht verrutscht war, nur die Umschlagmanschetten seines Hemds mussten gestrafft werden, was er augenblicklich erledigte.
» Ich sollte mich ausruhen, bevor ich mit dem König spreche. Meine Schultern bringen mich um nach dem vielen Sitzen heute Nacht.«
» Nimm ein Bad. Das löst vielleicht die Verspannung.«
» Ja. Ein Bad ist gut.«
» Dann sehen wir uns nachher«, sagte Blay, schenkte sich noch einmal nach und trat auf ihn zu.
Ihre Münder vereinten sich zu einem kurzen Kuss, dann wandte sich Blay ab und verschwand durch die Eingangshalle und die Treppe hoch, um sich umzuziehen.
Saxton sah ihm nach. Machte sogar ein paar Schritte vorwärts, um zu beobachten, wie die Treter, wie die Brüder sie nannten, Stufe um Stufe die Treppe erklommen.
Ein Teil von ihm schrie danach, Blay ins Schlafzimmer zu folgen und ihm aus der Kleidung zu helfen. Abgesehen von den emotionalen Verwicklungen war die körperliche Anziehung zwischen ihnen immer stark gewesen, und vielleicht sollte er das jetzt noch einmal ausnutzen.
Doch selbst dieses Trostpflaster half nicht mehr.
Er ging an die Bar und schenkte sich einen Sherry ein, nippte daran und setzte sich an den Kamin. Fritz hatte vor Kurzem Holz nachgelegt, die Flammen flackerten hell und lebhaft über dem Stapel von Scheiten.
Es würde wehtun, dachte Saxton. Aber es würde ihn nicht brechen.
Irgendwann würde er darüber hinwegkommen. Genesen. Sich neu orientieren.
Herzen wurden am laufenden Band gebrochen.
Gab es da nicht sogar ein Lied darüber?
Die Frage war natürlich: Wann würde er mit Blaylock darüber reden?
9
Die Langlaufskier glitten zügig über den Schnee und erzeugten ein rhythmisches Schleifen.
Der Sturm, der von Norden herangezogen war, hatte sich in den Morgenstunden gelegt, und jetzt schien die aufgehende Sonne unter dem Rand der allmählich weichenden Wolkendecke hindurch auf den glitzernden Waldboden .
Für Sola Morte sahen die goldenen Strahlen aus wie Klingen.
Ein Stück vor ihr präsentierte sich ihr Zielobjekt wie ein Fabergé-Ei auf einem Sockel: Das Haus am Hudson River war ein architektonisches Schaustück, ein Käfig aus zerbrechlich wirkenden Trägern, die gläserne Stockwerke stützten. In den Scheiben spiegelten sich zu allen Seiten das Wasser und die aufgehende Sonne wie die Aufnahmen eines Fotokünstlers, eingerahmt durch die Stahlkonstruktion des Gebäudes.
Nicht für alles Geld der Welt würde ich in so etwas wohnen wollen, dachte Sola.
Es sei denn, all diese Scheiben bestanden aus Panzerglas. Aber wer sollte das wohl bezahlen?
Wie man im Stadtarchiv von Caldwell erfahren konnte, hatte ein gewisser Vincent DiPietro das Grundstück vor zwei Jahren erstanden und von seiner Immobilienfirma bebauen lassen. Dabei wurden keine Kosten gescheut– zumindest laut Wertgutachten im Steuerregister, das jenseits der Marke von acht Millionen Dollar lag. Kurz nach Abschluss der Bauarbeiten wurde das Haus verkauft, und der neue Eigentürmer war keine Person mehr, sondern ein Immobilienfonds– der lediglich einen Anwalt in London als Treuhänder listete.
Aber Sola wusste, wer hier wohnte.
Er war der Grund, warum sie hier war.
Er war auch der
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