Seelenprinz
verloren.«
Blays Stimme erschreckte Saxton derart, dass er zusammenzuckte und um ein Haar seinen Montblanc über die Schulter davonschleuderte.
Sofort streckte ihm Blay beschwichtigend die Hand entgegen. » Tut mir leid…«
» Nein, schon in Ordnung, ich…« Saxton geriet ins Stocken, als er die durchnässte, blutverklebte Kleidung des Kämpfers bemerkte. » Gütige Jungfrau der Schrift , was ist denn passiert?«
Anstatt zu antworten, ging Blay zur Bar auf der antiken Kommode und ließ sich Zeit, zwischen dem Sherry und einem Dubonnet zu wählen. Offensichtlich legte er sich gerade im Geiste einen passenden Satz zurecht.
Es hatte also mal wieder mit Qhuinn zu tun.
Eigentlich machte sich Blay weder etwas aus Sherry noch aus Dubonnet. Und deshalb schenkte er sich einen Portwein ein.
Saxton lehnte sich zurück und blickte zu dem Kronleuchter auf, der hoch oben an der Decke hing. Ein prachtvoller Baccarat-Lüster aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, meisterhaft gefertigt mit vielen Bleiglaskristallen, wie man es erwarten durfte.
Er dachte daran zurück, wie er geschaukelt hatte, wie die regenbogenfarbenen Lichtbrechungen durch die ganze Bibliothek getanzt waren.
Wie viele Nächte war das nun her? Wie lange war es her, dass Qhuinn der Auserwählten gedient hatte, direkt über diesem Raum?
Seitdem war nichts mehr wie zuvor.
» Autopanne.« Blay nahm einen tiefen Schluck. » Rein mechanisches Problem.«
Ach, und deshalb ist deine Hose durchnässt und dein T-Shirt voller Blut? , dachte sich Saxton.
Doch diese Frage behielt er für sich.
Er hatte sich daran gewöhnt, Dinge für sich zu behalten.
Schweigen.
Blay leerte seinen Port und schenkte sich einen zweiten ein, mit dem Eifer eines Säufers. Was er gar nicht war. » Und… bei dir?«, erkundigte sich Blay. » Wie läuft es mit deiner Arbeit?«
» Ich bin fertig. Na ja, fast.«
Blay sah ihn an. » Wirklich? Ich dachte, du würdest nie damit fertig werden.«
Saxton erforschte das Gesicht, das ihm so vertraut war. Die blauen Augen, in die er, so schien es ihm, schon sein ganzes Leben lang blickte. Die Lippen, die er stundenlang mit seinen verschlossen hatte.
Die erdrückende Traurigkeit war genauso präsent wie die Anziehungskraft, die ihn in dieses Haus geführt hatte, zu seinem Job, seinem neuen Leben.
» Das dachte ich auch«, sagte er nach einem Moment. » Auch ich dachte… dass es länger dauern würde.«
Blay starrte in sein Glas. » Wann hast du damit angefangen?«
» Ich… kann mich nicht erinnern.« Saxton hob die Hand und rieb sich die Nasenwurzel. » Es spielt keine Rolle.«
Erneutes Schweigen. Und Saxton hätte die Luft in seiner Lunge verwettet, dass Blaylock gedanklich wieder bei dem anderen war, bei dem, den er liebte wie keinen anderen, seiner zweiten Hälfte.
» Dann erzähl, worum ging es?«
» Entschuldige?«
» Dein Projekt. All diese Recherchen.« Blay beschrieb einen eleganten Kreis mit seinem Glas. » Die Bücher, über denen du gebrütet hast. Wenn du fertig bist, kannst du mir doch jetzt verraten, worum es dabei ging, oder nicht?«
Saxton erwog kurz, ob er die Wahrheit sagen sollte… dass es noch andere, ebenso drängende und bedeutende Dinge gab, über die er nicht geredet hatte. Dinge, die zu tragen er bereit gewesen war, doch die im Laufe der Zeit zu belastend für ihn geworden waren.
» Das findest du bald genug heraus.«
Blay nickte, aber er tat es auf diese abwesende Art, die ihm von jeher eigen gewesen war. Doch dann sagte er: » Ich bin froh, dass du hier bist.«
Saxton hob die Brauen. » Tatsächlich…?«
» Wrath sollte einen guten Rechtsberater an seiner Seite haben.«
Ach so, deshalb.
Saxton schob seinen Stuhl zurück und stand auf. » Ja. Das stimmt.«
Er fühlte sich merkwürdig schwach, als er seine Unterlagen zu Stapeln zusammenschob. In diesem angespannten, traurigen Moment kam es ihm vor, als würden allein sie ihn noch zusammenhalten, diese dünnen und doch mächtigen Seiten mit all den Worten, handgeschrieben, säuberlich, in geordneten Zeilen.
In einer Nacht wie dieser wusste er nicht, was er ohne sie angefangen hätte.
Er räusperte sich. » Was für Pläne hast du für den kurzen Rest dieser Nacht?«
Während er auf eine Antwort wartete, klopfte ihm das Herz bis zum Hals. Offensichtlich war alleine ihm bewusst, dass in dieser Nacht noch etwas anderes zu Ende ging als nur der königliche Auftrag. Der unbegründete Optimismus, der ihn zu Beginn der Liebesaffäre aufrechterhalten
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