Seelenprinz
es dir gut geht, weißt du?«
Sie senkte die Stimme ein wenig. » So warst du schon immer. Selbst bevor wir… ja, du wolltest immer das Beste für mich.«
Qhuinn richtete den Blick auf die Autotür, die er herausgebrochen hatte, und erinnerte sich, wie gut es sich angefühlt hatte, kräftig gegen etwas zu treten. » Ich würde gern noch in den Kraftraum gehen. Ich schau bei dir vorbei, bevor ich mich aufs Ohr haue, okay?«
» In Ordnung. Mach’s gut.«
» Du auch.«
Als er auflegte, bemerkte er, dass V nicht mehr redete und zu ihm rübersah, als wäre irgendetwas an ihm komisch– als stünden seine Haare in Flammen, oder die Hose hinge ihm unten an den Knöcheln oder seine Augenbrauen wären abrasiert.
» Du hast nicht etwa eine Freundin, Qhuinn?«, fragte der Bruder gedehnt.
Qhuinn sah sich nach einem rettenden Strohhalm um, konnte aber keinen entdecken. » Äh…«
V blies Rauch über die Schulter aus und kam zu ihm. » Wie dem auch sei. Ich sehe mir jetzt mal diese Handys an. Und du musst dir ein neues Fahrzeug zulegen– egal, was, solange es kein Prius ist. Bis später.«
Qhuinn blieb mit John zurück und hatte das deutliche Gefühl, dass sein Freund gleich etwas über die Sache am Straßenrand sagen würde.
» Ich will es nicht hören, John. Ich habe im Moment einfach nicht die Kraft.«
Scheiße, gebärdete John.
» Das trifft es genau, Mann. Gehst du hoch ins Haus?«
Streng genommen musste Qhuinn als Ahstrux Nohtrum rund um die Uhr bei John sein. Aber der König hatte sie von dieser Pflicht befreit, solange sie sich auf dem Anwesen aufhielten. Andernfalls hätte Qhuinn viel zu viel über seinen Kumpel und Xhex erfahren.
Und John hätte ihm und Layla zusehen müssen beim… ähm, nun ja.
Als John nickte, öffnete Qhuinn die Tür und hielt sie auf. » Nach dir.«
Er vermied Johns Blick, als er an ihm vorbeiging. Er packte es einfach nicht. Denn er wusste genau, was der Kerl dachte– doch er hatte kein Interesse, über die Geschehnisse auf dieser Straße zu reden. Nicht über den Mist von heute Nacht. Nicht über den Mist von… jener Nacht vor langer Zeit, nachdem ihn die Ehrengarde beehrt hatte.
Er hatte genug von Aussprachen.
Sie brachten ohnehin nichts.
Saxton, Sohn des Thym, schloss das letzte Buch mündlicher Überlieferungen und starrte auf den weichen Ledereinband mit der Goldprägung.
Der letzte Band.
Unfassbar. Wie lange hatten sich diese Recherchen hingezogen? Drei Monate? Vier? Und jetzt sollten sie vorbei sein?
Er ließ den Blick durch die Bibliothek schweifen– Hunderte und Aberhunderte Gesetzesbücher, Abhandlungen, königliche Dekrete… monatelang hatte er sie durchforstet. Und jetzt, da er alles gesichtet und die Zusätze erstellt hatte, da ein legaler Weg gefunden war, um das Vorhaben des Königs zu verwirklichen, hätte er eigentlich stolz auf seine Leistung sein müssen.
Stattdessen beschlich ihn die Angst.
Während seiner Ausbildung und Tätigkeit als Anwalt hatte er oft mit kniffligen Sachverhalten zu tun gehabt– insbesondere, seit er als persönlicher Rechtsberater des Blinden Königs in dieses Anwesen gezogen war. Das Alte Recht war kompliziert, nicht nur die Formulierungen muteten archaisch an, sondern insbesondere der Inhalt– und das widersprach den Ansichten des Throninhabers. Wraths Denken war so geradlinig wie revolutionär, und was seine Herrschaft betraf, so war die Vergangenheit oft unvereinbar mit der Zukunft, wenn keine massive Umdeutung stattfand– Umdeutung des Alten Rechts, versteht sich.
Aber das hier war eine völlig neue Dimension.
Als Monarch konnte Wrath so ziemlich tun und lassen, was er wollte, vorausgesetzt, es wurden passende Präzedenzfälle gefunden, entsprechend angepasst und aufgezeichnet. Schließlich und endlich war der König das lebendige Gesetz. Er verkörperte die Ordnung, ohne die eine zivilisierte Gesellschaft nicht auskam. Das Problem war nur, dass Tradition nicht durch Zufall entstand. Sie etablierte sich im Laufe vieler Generationen, die ihr Leben und ihre Entscheidungen gemäß einigen festen, allgemein anerkannten Regeln ausrichteten. Und deshalb gerieten fortschrittliche Denker, die eine etablierte, konservative Gesellschaft in neue Richtungen lenken wollten, tendenziell in Schwierigkeiten.
Die gegenwärtig angestrebte Änderung einer althergebrachten Vorgehensweise war mehr als gewagt, zumal zu einem Zeitpunkt, da die Führungsrolle von Wrath bereits infrage gestellt wurde…
» Du scheinst in Gedanken
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