Seelenprinz
Darf ich…«
» Hab ihn schon…«
Der Chor der Freiwilligen überraschte ihn, genauso wie die Arme, die ihn von allen Seiten ergriffen und ihn nahezu davontrugen, wie jemanden, der bei einem Konzert auf der Menge surft.
Qhuinn blickte zurück, in der Hoffnung, Blay zu entdecken. Er wollte ihm so gerne in die Augen sehen, nur kurz, um eine Verbindung herzustellen, obwohl das verrückt war .
Aber Blay war da.
Diese wundervollen blauen Augen blickten ihm entgegen, so standhaft und treu, dass er fast noch einmal in Tränen ausgebrochen wäre. Er schöpfte Kraft aus diesen Augen, so, wie er es immer getan hatte, damals, als sie so viel Zeit miteinander verbracht hatten. Eigentlich wünschte er, Blay würde ihn ins Haus zurückbringen, aber die Brüder waren nicht aufzuhalten, wenn sie einmal so in Fahrt waren. Außerdem wäre es Blay sicherlich zu viel gewesen.
Qhuinn sah wieder nach vorne. Heilige Scheiße…
Im Garten herrschte das reinste Chaos, die drei Meter hohe Hecke neben dem Haus war auf halber Höhe abgesäbelt, alle möglichen Bäume waren geknickt, Büsche durchpflügt, und die Überreste der Bruchlandung lagen verstreut herum wie Granatsplitter.
Mann, da waren einige Trümmer, die wie Flugzeugteile aussahen.
Hey, wow, ein Stück Blech.
» Moment«, sagte er und riss sich los. Er bückte sich und hob das scharfkantige Teil auf, das sich in den Schnee geschmolzen hatte. Er hätte schwören können, dass es noch warm war.
» Es tut mir wirklich leid«, murmelte er vor sich hin.
Die Stimme des Königs dröhnte ihm entgegen. » Dass du meinem Bruder das Leben gerettet hast?«
Qhuinn blickte auf. Wrath war aus der Bibliothek getreten, George stand an seiner Seite und seine Königin auf der anderen. Der Kerl wirkte so groß wie das Haus hinter ihm– und genauso stark: Selbst blind sah er aus wie ein Superheld mit dieser Panoramasonnenbrille.
» Ich habe deinen Garten umgepflügt«, murmelte Qhuinn, als er auf den König zuging. » Ich meine… landschaftlich umgestaltet, aber nicht auf gute Art.«
» Dann hat Fritz im Frühling etwas zu tun. Du weißt, wie gern er Unkraut jätet.«
» Damit ist die Sache nicht getan. Ich fürchte, hier muss man mit dem Bagger anrücken.«
Wrath kam auf ihn zu und begegnete ihm auf halbem Weg auf der Terrasse. » Das ist jetzt das zweite Mal, Sohn.«
» Dass ich in den letzten vierundzwanzig Stunden etwas zu Schrott gemacht habe? Ich weiß , als Nächstes jage ich noch ein Schlachtschiff in die Luft.«
Die tiefschwarzen Brauen senkten sich tief. » Davon rede ich nicht.«
Okay, das musste auf der Stelle aufhören. Qhuinn hasste es wirklich , wenn sich die Aufmerksamkeit auf ihn richtete.
Also überging er den Kommentar und sagte: » Naja, fürs Erste bin ich nicht auf eine Fortsetzung aus, mein König. Wir müssten also sicher sein.«
Um ihn herum setzte zustimmendes Gebrumme ein.
» Kann ich ihn jetzt in die Klinik bringen?«, meldete sich Doc Jane zu Wort.
Wrath lächelte, und seine Fänge blitzten im Mondlicht. » Tu das.«
Gott sei Dank… er war echt bedient für heute.
» Wo ist Layla?«, fragte die Ärztin, als sie in die warme Bibliothek traten. » Ich glaube, du solltest dich nähren.«
Scheiße.
Als die Glucken in schwarzem Leder hinter ihr anfingen, zustimmend zu gackern, wurde Qhuinn ganz schwarz vor Augen. Eine Katastrophe war mehr als genug für heute Nacht. Er hatte absolut keine Lust, jetzt auch noch erklären zu müssen, warum ihn die Auserwählte nicht nähren konnte.
» Ist dir nicht gut?«, bemerkte jemand.
» Ich glaube, er verliert das Bewusstsein…«
Das war das Letzte, was er für eine Weile hörte.
22
Auf der anderen Seite des Flusses in Havers’ Klinik musste Layla schließlich von der Untersuchungsliege aufstehen und ein wenig in dem kleinen Raum umhergehen. Mittlerweile hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren. Ihr war, als hätte sie schon immer auf diese vier Wände gestarrt – und würde es auch für den Rest ihres Erdendaseins tun.
Das Einzige an ihr, was frisch und munter blieb, war ihr Kopf. Unglücklicherweise brütete er über den Worten der Schwester… dass es eine Fehlgeburt gewesen war. Dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit empfangen hatte…
Als das lang ersehnte Klopfen schließlich erklang, kam es dennoch unerwartet, und sie zuckte zusammen.
» Herein«, forderte sie die Person draußen auf.
Die Schwester, die so freundlich gewesen war, trat ein , doch sie wirkte verändert. Sie mied Laylas Blick,
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