Seelenprinz
und ihr Gesicht war eine starre Maske. Über dem Arm hatte sie ein weißes Tuch hängen, das sie Layla hinhielt, wobei sie den Blick abwandte. Dann vollführte sie einen tiefen Knicks.
» Euer Gnaden«, sagte sie mit bebender Stimme. » Ich… wir… Havers… wir wussten ja nicht.«
Layla runzelte die Stirn. » Was wollen Sie…«
Die Schwester schüttelte die Robe, als versuchte sie Layla dazu zu bewegen, sie anzunehmen. » Bitte. Zieht das an.«
» Was ist hier los?«
» Durch Eure Adern fließt das Blut einer Auserwählten.« Die Stimme der Schwester klang rau. » Havers ist… außer sich.«
Layla hatte alle Mühe, die Worte zu verstehen. Dann ging es hier also nicht um ihre Schwangerschaft? » Was… ich verstehe nicht. Warum ist er… er ist außer sich, weil ich eine Auserwählte bin?«
Die Schwester erblasste. » Wir dachten, Ihr wärt eine Gefallene?«
Layla vergrub das Gesicht in Händen. » Das bin ich vielleicht bald– je nachdem, was geschieht.« Sie hatte nicht die Kraft für das hier. » Könnte mir jetzt bitte jemand sagen, was bei den Tests herausgekommen ist und wie ich mich verhalten muss?«
Die Schwester fummelte an dem Stoff herum, immer noch bemüht, ihn ihr zu reichen. » Er kann nicht mehr zu Euch kommen . «
» Was?«
» Nicht, wenn Ihr… er kann nicht mit Euch in einem Raum sein. Und er hätte niemals…«
Wut kochte in Layla hoch, und sie sprang auf. » Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen – ich will mit dem Doktor sprechen.« Infolge ihrer harschen Worte sah die Schwester ihr endlich ins Gesicht » Ich habe ein Recht, zu erfahren, was er über meinen Zustand herausgefunden hat – sagen Sie ihm, dass er auf der Stelle zu mir kommen soll.«
Ihre Stimme war nicht schrill, nicht hysterisch– einfach nur bestimmend und kraftvoll, wie Layla sie noch nie aus ihrem Mund vernommen hatte.
» Gehen Sie. Holen Sie ihn rein«, befahl sie.
Die Schwester hob den weißen Stoff. » Bitte. Zieht das an. Er ist…«
Layla zwang sich, nicht zu schreien. » Ich bin eine Patientin wie jede andere…«
Die Schwester zog die Stirn kraus und straffte die Schultern. » Entschuldigt, aber das stimmt so nicht. Und was ihn betrifft, so hat er Euch bei der Untersuchung Gewalt angetan.«
» Was?«
Die Schwester sah sie nur an. » Er ist ein guter Mann. Ein feiner Kerl, mit einer sehr traditionellen Einstellung…«
» Aber das spielt doch überhaupt keine Rolle!«
» Der Primal kann ihn töten für das, was er mit Euch gemacht hat.«
» Bei der Untersuchung? Es geschah mit meiner Einwilligung– das war doch ein notwendiger medizinischer Vorgang!«
» Darum geht es nicht. Es war ungesetzmäßig.«
Layla schloss die Augen. Sie hätte in die Klinik der Bruderschaft gehen sollen.
» Ihr müsst seinen Standpunkt verstehen«, sagte die Schwester. » Ihr entstammt einer Hierarchie, mit der wir nicht in Kontakt kommen– und darüber hinaus: auch nicht kommen sollen.«
» Mein Herz schlägt wie jedes andere, und mein Körper braucht Hilfe. Das ist alles, was er– oder sonst irgendjemand– wissen muss. Das Fleisch ist dasselbe.«
» Das Blut ist es nicht.«
» Er muss mit mir sprechen…«
» Das wird er nicht.«
Layla sah die Schwester erneut an. Dann legte sie die Hand auf den Unterleib. Ihr ganzes Leben lang bis zu diesem Moment hatte sie auf der Seite der Rechtschaffenden gelebt, treulich gedient, ihre Pflichten erfüllt, ihr Leben innerhalb der Grenzen geführt, die andere gezogen hatten.
Das war vorbei.
Ihre Augen wurden schmal. » Richten Sie diesem Arzt aus, wenn er nicht reinkommt und mir persönlich sagt, was mit mir los ist– dann gehe ich zum Primal und berichte ihm haarklein, was sich hier zugetragen hat.«
Dabei ließ sie den Blick absichtlich über das Gerät streifen, das bei der vaginalen Untersuchung zum Einsatz gekommen war.
Als die Schwester erblasste, verspürte Layla keinen Triumph, dass sie ihr Druckmittel so erfolgreich eingesetzt hatte. Allerdings empfand sie auch keine Reue.
Die Schwester verbeugte sich tief, verließ rückwärts das Zimmer und ließ diesen lächerlichen Stoff auf dem schmalen Waschtisch neben dem Waschbecken liegen.
Layla hatte ihren Auserwähltenrang nie als Bürde oder Segen empfunden. Sie hatte schlichtweg nichts anderes gekannt. Es war ihr Los, das ihr zugedachte Schicksal, es manifestierte sich in ihrem Atem und Bewusstsein. Doch andere waren da offensichtlich nicht so gleichmütig– insbesondere nicht hier unten.
Und das war erst
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