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Seelenrächer

Seelenrächer

Titel: Seelenrächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G O'Carroll
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vor den Wagen gespannt. Er erzählte ihnen, dass sie zusammen mit dem Teufel in seiner Küche gesessen hatte, aber natürlich glaubten sie ihm nicht. Während er nun den Sirenen lauschte, konnte er sie wieder dort sitzen sehen. Er sah sie so klar und deutlich vor sich, als wäre es erst gestern gewesen.
    Geflüster hatte ihn aufgeweckt – Geflüster und Schritte. Als er dann plötzlich einen Lichtstrahl sah, biss er sich so fest auf die Zunge, dass er das Gefühl hatte, Blut zu schmecken. Dann hatte das Geflüster aufgehört, und stattdessen vernahm er schabende Geräusche aus der Küche. Ein vertrautes Gefühl von Entsetzen ergriff von ihm Besitz. Er erwartete sie voller Angst und Anspannung: die Versammlung der Seelen in seiner Küche. Womöglich würde er seine Frau sehen, endlich war es so weit. Er wartete schon so lange auf sie. Ihm blieb keine andere Wahl, er musste hinunter.
    Während er noch in der Dunkelheit im Bett lag, spürte er die Schweißtropfen auf seiner Stirn wie die Beine einer jagenden Spinne. Das Entsetzen überwältigte ihn derart, dass ihm sein Bettzeug binnen kürzester Zeit klatschnass am Körper klebte. In seinem Schlafzimmer war es stockfinster.
    Es wusste, dass er trotzdem aufstehen musste.
    Entschlossen griff er nach der Flasche Weihwasser, die der Priester gesegnet hatte, und schwang die Beine über die Bettkante.
    Im Haus herrschte plötzlich Totenstille. Falls Jimmy zu Hause war, lag er im Bett und rührte sich nicht. Jimmy rührte nie einen Finger für die Toten.
    Die Kälte kroch ihm in die Schultern und von dort den Hals hinauf. Er fürchtete sich so sehr, dass seine sämtlichen Sinne angespannt waren wie die Saiten einer Violine.
    Er zögerte. Noch hatte er sein Zimmer nicht verlassen. Nach so vielen Jahren hatte er sich noch immer nicht daran gewöhnt. Seine Nerven lagen derart blank, dass ihn bereits das kleinste Geräusch erschrocken zusammenzucken ließ. Sowohl der Arzt als auch der Priester hatten ihm geraten, in ein Pflegeheim umzuziehen, wo ihm die Dämonen nichts mehr anhaben könnten.
    Aber das durfte er nicht: Das hier war seine Aufgabe, seine Pflicht, seine Buße für die Jahre der Vernachlässigung.
    Oben am Treppenabsatz zögerte er einen Moment. Das einzige Licht, das er nun noch sah, stammte von der Glühbirne draußen vor der Haustür. Es tauchte die Diele in eine Art blasses Gold. Schritte hörte er ebenfalls keine mehr, von seinen eigenen mal abgesehen. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Seine Beine waren auch nicht mehr das, was sie mal waren. Er hielt sich am Geländer fest.
    In der Diele legte er erneut eine Pause ein.
    Langsam schob er sich in die Küche. Dabei sprang ihm fast das Herz aus der Brust. Er spürte jeden hohlen Schlag, den es tat. Er spürte den Schweiß auf seinen Handflächen und auch die schmerzende Stelle in seinem Bauch, wo es ihm derart die Gedärme zusammenzog, dass er manchmal sogar Blut pinkelte.
    Sie saß mit dem Teufel am Tisch: eine junge Frau mit langem, dunklem Haar. Ihr Kopf war gesenkt, so dass er das Gesicht nicht sehen konnte.
    Obwohl er ihr Gesicht nicht gesehen hatte, blieb ihm diese Nacht in lebhafter Erinnerung. Er wusste noch genau, wie er den ganzen Raum mit Weihwasser besprengt hatte. Trotzdem blieb sie sitzen. Er war ins Bett zurückgekehrt. Wie ein Kind hatte er sich die Bettdecke bis übers Kinn gezogen. Ein paar Minuten später hörte er eine Tür ächzen und dann jemanden die Treppe herauftapsen. Auf dem Treppenabsatz machten die Schritte halt. Dann wurde Jimmys Tür geöffnet. Erleichtert atmete John aus: Wenigstens war er nicht allein. Danach war er wohl eingeschlafen, denn er hörte nichts mehr. Als sie später das arme Mädchen aus dem Cottage drüben zogen, wusste er sofort, dass sie diejenige war, die er gesehen hatte. Er sagte es ihnen – der Polizei. Die Ärmste war nicht nur ermordet worden, sondern hatte auch noch mit dem Teufel um ihre Seele Karten spielen müssen.
    Nun schlurfte er zum Fenster hinüber und blickte über das Wasser. Es war ein kalter, regnerischer Morgen. Vom Atlantik her schoben sich schwere graue Wolken über die Küste. Er sah die Streifenwagen an der Burg vorbeifahren. Sie hielten nicht an, sondern umrundeten die Spitze und hielten dann vor dem aus fünf Pfosten bestehenden Tor, genau wie beim letzten Mal.

Mittwoch, 3. September, 12:00 Uhr
    Aus der Luft konnten sie die Ruinen der alten O’Connor-Festung sehen. Die Windschutzscheibe war vom Regen verschmiert. Die grauen

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