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Seelenrächer

Seelenrächer

Titel: Seelenrächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G O'Carroll
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öffentlichen Bauauftrag an Land zog, weil er ein paar Beamten gutes Geld zusteckte, damit sie dafür sorgten, dass das so blieb. In diesem Fall war jeder neue Hinweis hilfreich, und eines schönen Tages würde Doyle den Mistkerl endlich festnageln.
    Selbst jetzt, wo es so viel neue Konkurrenz gab, war Johnny immer noch der größte Baulöwe der Northside. Dass er auch Ukrainer beschäftigte, verstimmte Alexej Bris-Mintow. Was an sich keine schlechte Sache war. Aus Kiew über Berlin nach Dublin eingewandert, hielt sich »Minty« seit ungefähr fünf Jahren in der Stadt auf. Er hatte bereits einen Großteil des »Geschäfts« auf der Südseite des Flusses an sich gerissen. Der alte dortige Boss, Lorne McGeady, war darüber inzwischen derart sauer, dass er versucht hatte, eine Art Bund mit Johnny zu schließen, doch der wollte davon nichts wissen. Zumindest bis jetzt noch nicht. Allerdings war es keineswegs mehr so wie in der guten alten Zeit, als die Stadt von harten Männern wie dem »General« regiert wurde. In jenen Tagen herrschte selbst unter Schurken Ordnung: Es gab so etwas wie Ehre und ein gewisses Maß an Respekt. Seit jedoch der Keltische Tiger die Zähne gefletscht und die irische Wirtschaft jahrelang geboomt hatte, war alles anders geworden.
    Jenseits des Wassers sah er Finucane seinen kahlen Schädel aus der Kajüte strecken, widerwillig wie ein Hund in den Regen hinausschnüffeln und den Kopf dann wieder einziehen. Dass er mit seinem Boot derart lange an dieser Anlegestelle bleiben konnte, war ein weiteres Indiz dafür, wie gut seine Freunde waren, denn eigentlich handelte es sich um einen öffentlichen Anlegeplatz. Ein Stück entfernt lag eine Replik des alten Segelschiffs Jeanie Johnston vor Anker, aber ansonsten sah man dort fast immer nur Johnnys Ginpalast. Doyle warf noch einmal einen Blick auf die Jeanie Johnston . Es handelte sich dabei um ein Schulschiff, einen anmutigen Dreimaster. Das Original war im neunzehnten Jahrhundert eingesetzt worden, um irische Auswanderer in die USA zu bringen. Seltsam, wie sich die Dinge verändert hatten, ging ihm durch den Kopf. Heutzutage strömten alle nach Dublin.
    Er war seit gestern Abend nicht mehr zu Hause gewesen und auch noch nicht umgezogen. Erst war er ins O’Shea’s gegangen, um Musik zu hören, und danach auf die andere Flussseite in seine kleine Stammkneipe hinter Connolly Station übergewechselt. Um die Theke des kleinen Privatclubs kümmerte sich eine wunderbar vollbusige Barfrau namens Maureen, mit der er schon ewig etwas laufen hatte.
    Er konnte sie noch an sich riechen. Maureen war eine herzliche und sinnliche Frau, die immer ein Lächeln auf den Lippen hatte und gerne ihr beachtliches Dekolleté ein wenig hervorblitzen ließ, was einem Platz an ihrer Bar zusätzliche Würze verlieh. Sie und Doyle hatten eine lange gemeinsame Geschichte: Er kannte sie bereits seit der Zeit, als sie noch in Tralee lebte, und als sie dann nach Dublin umzog, hatte er ihr geholfen, Arbeit zu finden. Im Lauf der Jahre waren sie immer mal wieder zusammen gewesen, und ihre Beziehung hatte sogar Maureens drei Ehen überlebt.
    Sein Handy, das neben ihm auf dem Beifahrersitz lag, begann zu läuten. Ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett sagte ihm, dass es gerade mal sieben war. Er fragte sich, wer ihn um diese Zeit schon anrief. Vermutlich Maureen, um ihm zu sagen, dass er irgendetwas bei ihr vergessen hatte. Aber es war nicht Maureen, sondern Quinns Festnetznummer. »Hallo«, meldete er sich, »hier Doyle.«
    »Onkel Joe, bist du das?«
    Doyle kniff die Augen zusammen: eins von den Mädchen. Er hörte das Unbehagen in ihrer Stimme.
    »Onkel Joe?«
    »Wer ist denn dran, Jessie oder Laura?«
    »Laura.«
    »Dachte ich es mir doch. Wie geht’s dir, Laura?«
    »Onkel Joe …« Ihre Stimme klang zittrig.
    »Was ist denn, Liebes?«
    »Unsere Mam, sie ist nicht da. Ich weiß nicht, wo sie ist, und ich kann meinen Dad nicht erreichen.«
    »Bleibt, wo ihr seid, ich bin gleich bei euch.«
    Rasch ging er die Nummern in seinem Handy durch, rief die von Quinn auf und wählte. Er ging nicht ran, sein Telefon war ausgeschaltet. In all den Jahren, die sie nun schon zusammenarbeiteten, hatte Doyle noch nie erlebt, dass Quinn sein Telefon ausgeschaltet hatte. Er war schließlich ein Detective der Garda. In Gottes Namen! Wie kam er dazu, sein Telefon auszuschalten? Während Doyle den Wagen wendete, arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren. Gestern hatte sich Dannys Tod zum ersten Mal

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