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Seelenrächer

Seelenrächer

Titel: Seelenrächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G O'Carroll
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Schwingtüren zusteuerten, die teils aus Hartholz und teils aus Kunststoff bestanden, klopfte ihm das Herz bis zum Hals. Gleichzeitig zog es ihm derart den Magen zusammen, dass es richtig wehtat. Er schob die Tür auf und entdeckte in dem Büro zu seiner Linken einen Angestellten des Leichenschauhauses.
    Der Geruch nach Desinfektionsmittel stach ihm in die Nase. Sämtliche Wände waren weiß gekachelt, und der Fliesenboden sah aus, als wäre er geschrubbt worden, bis er quietschte. Der Angestellte, der Gummistiefel trug, hob den Kopf und blickte durch die Scheibe aus Sicherheitsglas, die sie voneinander trennte.
    »DI Quinn.« Quinn brachte kaum mehr als ein Flüstern heraus. »Man hat uns gesagt, Sie hätten eine Wasserleiche hereinbekommen. Möglicherweise Selbstmord.«
    Der junge Mann strich sich eine Strähne seines dünnen dunklen Haars aus der Stirn. »Ja, das stimmt«, antwortete er, »sie haben sie heute Morgen am Spencer Dock herausgezogen.« Der Mann kam zu ihnen heraus, schloss die Bürotür hinter sich und führte sie durch eine andere Tür in den Bereich, wo sich die Kühlräume befanden.
    »Ich würde sie auf Ende dreißig schätzen«, erklärte der Mann. »Sie hat rötlichbraunes Haar und blaugrüne Augen. Bekleidet war sie mit einem dunklen Rock und einem weißen Shirt. Schuhe hat man keine gefunden. Sie trägt einen Ehering ohne besondere Merkmale, einen schlichten goldenen Trauring.«
    »Wie sieht der genau aus? Breit oder schmal?«
    »Schmal. In etwa so wie der Ihre, würde ich sagen.« Er nickte zu dem Ring hinüber, den Quinn gerade nervös drehte.
    Doyle bekreuzigte sich.
    Der Mann ging voraus. Hinter der nächsten Tür waren vier Tische aus Edelstahl parallel zueinander aufgereiht, keine zwei Meter voneinander getrennt. Jeder von ihnen war mit einer Umrandung versehen, und über die gesamte Tischlänge verliefen quer angeordnete Abflussrillen, die dafür sorgten, dass die Körperflüssigkeiten in die bauchige Wanne darunter sickern konnten. Der ganze Raum roch penetrant nach scharfen Desinfektionsmitteln.
    Hierher wurden die Toten Dublins gebracht. Selbstmörder, Verkehrstote und Mordopfer. Hier wurden sie gesäubert und zusammengeflickt, damit diejenigen, die eine Leiche identifizieren mussten, kein allzu großes Trauma davontrugen.
    Die Tür zum Kühlraum stand offen, und auf einem der Tische befand sich ein Sarg aus poliertem Kiefernholz. Dahinter erstreckte sich die Leichenhalle selbst – die Wände mit den Gefrierfächern, von denen jedes fünf große, übereinander angeordnete Schübe zum Herausziehen enthielt. Der Mann öffnete eine der Türen und zog das zweite Schubfach von unten in voller Länge heraus. Die Leiche war mit einer undurchsichtigen Kunststoffplane bedeckt.
    Quinn blickte auf sie hinunter, wie er es zuvor schon unzählige Male getan hatte. Nur musste er dieses Mal an Jess und Laura denken, die gerade in der Schule saßen und versuchten, sich auf ihren Unterricht zu konzentrieren.
    Er zitterte.
    Noch bevor er dazu bereit war und sich gedanklich auf das einstellen konnte, was ihn nun erwartete, zog der Mann die Plastikplane weg. Ihre Augen waren geschlossen, und ihre Haut erinnerte an Kerzenwachs. Rotbraunes Haar umrahmte in verfilzten Strähnen ihr Gesicht. Selbst als Tote machte sie noch einen gequälten und müden Eindruck. Quinn wollte etwas sagen, bekam jedoch die Lippen nicht auseinander. Sein Mund war ausgetrocknet wie ein alter Knochen.
    »Haben Sie eine Ahnung, wer sie ist?«, fragte ihn der Angestellte des Leichenschauhauses.
    »Nein«, flüsterte er, »ich habe keine Ahnung.«

Montag, 1. September, 09:00 Uhr
    Draußen lehnten sich die beiden Männer an die Ziegelmauer, als hätten sie gerade einen Marathonlauf hinter sich. Quinn zitterte immer noch. Doyle stieß scharf die Luft aus und bekreuzigte sich zum wiederholten Mal.
    »Der heiligen Jungfrau sei Dank!«, murmelte er. »Lieber Himmel, Moss, das war vielleicht ein Moment. Das brauche ich nicht noch einmal!« Quinn starrte auf den schmuddeligen Beton hinunter, auf dem Papierfetzen und Reste alten Kaugummis herumlagen.
    Ein paar Augenblicke schwiegen sie beide, dann räusperte sich Doyle. »Also«, sagte er, »du bist schließlich derjenige, der es zum Inspektor gebracht hat. Wo zum Teufel steckt sie?«
    Quinn zündete sich eine Zigarette an, und während er sie rauchte, kam wieder Ordnung in seine Gedanken. »Auf dem Friedhof. Wo sonst sollte sie sein, Joe?«
    »Ach«, sagte Doyle, der langsam vor sich hin

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