Seelenrächer
deinen Zulieferer anrufst und wieder zu dealen anfängst –, dann wäre ich vielleicht tatsächlich in der Lage, dir zu helfen.«
Crame blickte ein wenig hoffnungsvoller drein. »Dann hatten die Jungs also recht, als sie zu mir gesagt haben, dass du ein guter Typ bist. Es heißt, dass du sogar mal bei den Christian Brothers warst, Paddy. Stimmt das?«
Patrick schnaubte. »Ich habe genau wie du meine Jugend vergeudet, aber das ist jetzt nicht unser Thema. Ich kann dir nichts versprechen. Sollte sich allerdings irgendeine Möglichkeit bieten, werde ich sehen, was ich tun kann.«
»Mann, vielen Dank, Patrick. Ich wusste, du würdest mir helfen.«
»Deine Ex lebt allein?« Maguire holte Papier und Stift heraus, um sich die Details zu notieren. »Ich muss also nicht damit rechnen, dass mir irgendein Affe mit haarigem Hintern eine über den Kopf zieht, wenn ich bei ihr vorspreche?«
Montag, 1. September, 09:10 Uhr
Nachdem er sich von seinem Partner verabschiedet hatte, fuhr Quinn hinauf bis zu Doyle’s Corner, ehe er auf der North Circular Road in Richtung Westen weiterfuhr. Auf Höhe von Dalcassian Downs überquerte er den Royal Canal, umrundete den südlichen Rand des Botanischen Gartens und bog zum unteren Teil des Friedhofs ab.
Er entdeckte Evas Wagen gleich jenseits der Brücke. Nachdem er den seinen dahinter abgestellt hatte, blieb er noch einen Moment sitzen. Er wusste nicht recht, was er zu Eva sagen sollte. Nachdem ihr Bett unbenutzt gewesen war, hatte sie entweder die ganze Nacht zu Hause herumgesessen, oder sie war irgendwann nach Paddys Anruf zum Friedhof herausgefahren und stand noch immer am Grab ihres Sohnes. Beides verhieß nichts Gutes. Er musste sich genau überlegen, wie er sich in dieser Situation am besten verhielt. Eva war kein verantwortungsloser Mensch – beileibe nicht! –, aber sie trauerte immer noch um ihren Sohn und hatte die Mädchen nachts allein zu Hause gelassen. Quinn fragte sich allmählich, ob er vielleicht in Betracht ziehen sollte, einen Therapeuten aufzutreiben, der für Fälle wie den ihren ein wenig qualifizierter war als Pat Maguire.
Während er so dasaß, musste er auch an letzte Nacht denken. Daran, was er im Garda-Club getan hatte. An die Wärme, die er in Keiras Armen gespürt hatte. Er sagte sich, dass das keine Rolle spielte; dass er es – zumindest vorübergehend – einfach vergessen musste. Mit seinem schlechten Gewissen konnte er sich später herumschlagen. Jetzt zählte nur noch Eva. Er liebte sie nach wie vor – hatte nie aufgehört, sie zu lieben – und glaubte fest daran, dass sie ihn irgendwo tief unter all dem Kummer ebenfalls noch liebte.
Das reichte aus. Was gestern Nacht passiert war, änderte daran nichts. Es war ein Moment der Schwäche gewesen und der Zeitpunkt zweifellos schlecht gewählt. Er sagte sich, dass trotzdem noch nichts zerstört war, nichts verloren. Eva brauchte nie etwas davon zu erfahren.
Und alle anderen auch nicht.
Er hatte nie gewollt, dass so etwas passierte, und hätte er noch zu Hause gewohnt, dann wäre es auch nie dazu gekommen. Dass er sich überhaupt bereit erklärt hatte auszuziehen, lag nur daran, dass sie irgendwann an einen Punkt gelangt waren, an dem die Atmosphäre zwischen ihnen so schlimm wurde, dass Laura und Jess darunter zu leiden begannen.
So vieles war passiert: Dannys Tod lag gerade mal ein Jahr zurück, und nur eine Woche später war Maggs wegen Mordes angeklagt worden.
Damals hatte Eva angefangen, den Herz-Jesu-Anhänger zu tragen. Quinn hatte sich dadurch nicht aus der Fassung bringen lassen. Er wusste, warum sie das Herz trug: Es hatte nichts mit Maggs zu tun – dafür aber jede Menge mit Danny. Es stand für Gott und den Himmel, für all die Dinge, denen Menschen sich zuwenden, wenn sie krampfhaft versuchen, im Tod eines Kindes so etwas wie einen Sinn zu sehen.
Allerdings glaubte sie tatsächlich nicht, dass Maggs Mary Harrington umgebracht hatte. Sie hatte sich vor dem Prozess dahingehend geäußert und Quinn vorgeworfen, Maggs von Anfang an in eine bestimmte Schublade gesteckt zu haben.
Seit ihr Sohn tot war, schien sie unter dem Zwang zu stehen, immer wieder in die Vergangenheit abzutauchen. Sie sprach beispielsweise über den Schultag, an dem Jimmy jenes Polaroid-Foto herumgezeigt hatte. Maggs war zu dem Zeitpunkt gerade mal dreizehn gewesen, und alle hatten ihn ausgelacht: nicht nur die Schüler, sondern hinter seinem Rücken auch ein paar von den Lehrern. Eva war die Einzige gewesen, die
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