Seelenrächer
Auch wenn sie es nicht laut aussprechen. Also, sollten Sie Hilfe brauchen, Inspector …« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Die ganzen alten Dubliner brauchen so etwas genauso dringend wie ein zweites Loch im Arsch. Mal ganz abgesehen von Ihrem persönlichen Kummer, Mr. Quinn, ist eine solche Situation äußerst schlecht fürs Geschäft.«
»Hat irgendjemand was gehört? Was wird denn so geredet?«, fragte Quinn. »Irgendjemand muss doch wissen, worum es dabei geht.« Uttley lehnte sich zurück. Nachdenklich musterte er Quinn. Dann zog er die Brauen hoch und schlug die mageren Beine übereinander. »Es ist allen ein Rätsel«, antwortete er schließlich, »wirklich ein absolutes Rätsel. Kein Mensch weiß etwas. Ich habe keine Ahnung, ob es daran liegt, dass alle unter Schock stehen, oder ob doch ein paar Leute etwas wissen, es aber nicht sagen. Jedenfalls habe ich den Laden hier in all den Jahren noch nie so ruhig erlebt.«
»Soll das heißen, niemand hat irgendetwas gehört?«, fragte Quinn.
Uttley zuckte mit den Achseln. »Wie gesagt, der Laden hier ist ruhig.«
Quinn sprang auf. »Dann mischen Sie ihn besser mal auf, und zwar schnell! Richten Sie es den anderen aus, Jug: Alle sollen wissen, dass es an der Zeit ist, sich für sämtliche Gefallen zu revanchieren, die ich ihnen jemals getan habe. Irgendein Irrer hat sich meine Frau geschnappt. Gestern Abend um zehn hat zum letzten Mal jemand mit ihr gesprochen, und wenn wir sie bis Mittwoch nicht finden, fällt sie in ein Koma, aus dem sie womöglich nie wieder erwacht.«
Montag, 1. September, 14:30 Uhr
Murphy lief zwischen ihrem Schreibtisch und Quinns Büro hin und her, wo mittlerweile Superintendent Frank Maguire Stellung bezogen hatte. Tauchertrupps waren in beide Kanäle entsandt worden, und in Abständen auch entlang der Liffey. In Glasnevin gingen Beamte mit Fragebogen von Tür zu Tür. In der Einsatzzentrale herrschte Hochbetrieb.
Maguire war drüben im Garda-Präsidium in Phoenix Park gewesen, um seine Vorgesetzten über die nächsten Schritte bei den Ermittlungen zu informieren. Nun starrte er ständig zu Murphy hinüber, als hätte er etwas auf dem Herzen, wüsste aber nicht recht, wie er es zur Sprache bringen sollte. Sie gab ihm keine Chance. Entweder sie hing an der Strippe, oder sie schrieb Mails, um sich mit all den Detectives in Verbindung zu setzen, die aus ganz Dublin sowie dem Umland zusammenströmten.
Ein junger Polizist, der vorübergehend zu den Beamten in Zivil versetzt worden war, trat an ihren Schreibtisch. »Murph«, sagte er, »das Foto ist aus dem Labor zurück. Keine Fingerabdrücke, keine sonstigen Spuren, nichts.«
Maguire stand in der Tür zu Quinns Büro. »Gar nichts?«, fragte er.
»Ich fürchte, nein, Superintendent.«
»Heutzutage kann man keine Polaroid-Kameras mehr kaufen«, informierte Murphy ihn. »Als die Welt digital wurde, war das das Aus für sie. Das entsprechende Papier ist jedoch noch zu haben. Die Stapel sind alle durchnummeriert. Es müsste eigentlich möglich sein, herauszufinden, woher das Ding stammt.«
»Gute Idee«, lobte Maguire sie.
»Noch etwas«, fügte sie hinzu. »Jede Kamera hat winzige Walzen, die das frisch belichtete Foto nach draußen transportieren. Wenn wir die Kamera finden, können wir ihr das Bild eindeutig zuordnen.«
»Sehr gut, damit lässt sich arbeiten«, antwortete er. »Gibt es weitere Ansatzpunkte? Hat sich vielleicht etwas Neues ergeben, während ich in Phoenix Park war?«
»Immerhin haben wir Blackrock, Sir.«
»Blackrock?« Er runzelte die Stirn.
»Der Stein auf der Polaroid-Aufnahme ist fast schwarz«, erklärte sie, »und für mich sieht es aus, als wäre das Bild an einem Strand aufgenommen worden. Deswegen dachte ich an den Strand von Blackrock, Sir.«
»Guter Hinweis«, stimmte er zu. »Organisieren Sie eine Suche. Und wenn Sie schon gerade dabei sind, dann lassen Sie doch gleich alle Strände im Umkreis von fünfzig Kilometern absuchen. Schicken Sie Leute nach Dun Laoghaire und Shelley Banks und wie gesagt nach Blackrock.«
»Da fahre ich selbst runter«, erwiderte Murphy. »Wir sollten uns auch an die Öffentlichkeit wenden, sie mit einbeziehen. Je mehr Leute suchen, umso größer ist die Chance, dass wir die Vermisste finden.«
Sie wandte sich wieder ihrem Schreibtisch zu, um einen Suchtrupp mit Hunden zu organisieren. Dann rief sie bei der Polizei in Dundalk an und bat sie, umgehend Beamte nach Blackrock hinauszuschicken. Während sie noch an der
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