Seelenrächer
meine Frau geht.«
»Quinn«, antwortete der Commissioner mit einem Seufzen, »letztendlich zählt nur, dass wir Eva wohlbehalten wiederfinden. Aber seien Sie vorsichtig. Wir brauchen Objektivität, keine Gefühle. Ich überlasse Frank Maguire die Entscheidung, wie wir das handhaben wollen. Alle Fragen, die er nicht beantworten kann, werde ich abblocken. Im Übrigen würde ich mich wohl genauso verhalten wie Sie, wenn es um meine Frau ginge.«
»Danke, ich weiß das sehr zu schätzen.« Er reichte Maguire das Telefon zurück und wandte sich mit einem grimmigen Lächeln an Doyle: »Nun hast du zum ersten Mal in deinem Leben die volle Unterstützung des Polizeipräsidenten.«
»Tatsächlich? Und das nach zweiunddreißig Jahren! Womit habe ich das bloß verdient?«
Quinn richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Polaroid-Foto. »Was kann das bloß sein?«, fragte er. »Auf jeden Fall handelt es sich um einen Strand, oder? Einen Sandstrand vielleicht? Mit einem Stein darauf. Einem kleinen Stein? Oder einem Felsbrocken?« Doyle gab ihm keine Antwort. »Und wer hat das Foto geschickt?«, fuhr Quinn fort. »Welcher Irre hat meine Frau entführt, noch dazu auf den Tag genau, ein Jahr nachdem mein Sohn gestorben ist?« Eine Hand zur Faust geballt, entfernte er sich ein paar Schritte vom Schreibtisch und spähte durch das Glas in den angrenzenden Raum, der sich gerade in eine Einsatzzentrale verwandelte. Immer mehr Detectives trafen ein.
»Moss, ungeachtet dessen, was der Commissioner gerade gesagt hat, werdet ihr beide, du und Doyle, euch aus den Ermittlungen heraushalten müssen.«
»Einen Teufel werden wir!«
Maguire hob beschwichtigend die Hand. »Ihr wisst, dass es meine Pflicht ist, euch darauf hinzuweisen, und der Commissioner weiß es auch. Fakt ist, dass ihr beide ab jetzt in der Warteschleife hängt. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Was ihr auf eigene Faust macht, ist eure Sache. Haltet euch bloß von der Presse fern, ja? Die werden die ganze Harcourt Street belagern, ganz zu schweigen von eurer Haustür.«
Quinn ging nach draußen und zündete sich eine Zigarette an. Als sein Handy klingelte, starrte er es einen Moment wie hypnotisiert an. Er hatte die seltsame Stimme noch genau im Ohr. Doch als er dann ranging, war es nicht der anonyme Anrufer, sondern Paddy Maguire.
»Moss«, stieß er ein wenig atemlos hervor. »Lieber Himmel, ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen. Hast du Eva gefunden?«
»Nein, Pat. Sie ist entführt worden.«
»Sie ist was ?«
Quinn ließ den Blick die Zufahrt entlangschweifen. Draußen vor dem Tor begann sich bereits die Presse zu versammeln. »Jemand hat sie entführt – jemand, der genau wusste, dass sich gestern Dannys Todestag jährte.«
»Wer zum Teufel sollte so etwas tun?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber es gibt eine Menge Leute – sowohl im Knast als auch draußen –, die sich nichts Schöneres vorstellen können, als mich am Boden zu sehen. Wenn jemand an mich persönlich nicht herankommt, ist das vielleicht ein anderer Weg.«
»Aber um Himmels willen, Moss«, entgegnete Maguire, »wir reden hier von der Frau eines Polizisten! Wer um alles in der Welt würde so etwas tun? Doch bestimmt niemand von den üblichen Verdächtigen, oder? Nicht Finucane oder McGeady. So dumm wäre keiner von beiden.«
»Natürlich nicht, mit denen hat das nichts zu tun.« Quinn zog gierig an seiner Zigarette. »Es ist entweder eine letzte anarchische Splittergruppe der IRA, obwohl der bewaffnete Kampf eigentlich schon vor Jahren zu Ende gegangen ist. Oder aber ein einzelner Psychopath, der entweder nicht begreift, auf was er sich da einlässt, oder sich einen Dreck darum schert.«
»Hast du eine Idee, wer das sein könnte?«, fragte Maguire.
Quinn musste an das Stück Goldkette denken, das er auf dem Grab gefunden hatte. Vor seinem geistigen Auge sah er den Mann auf der Anklagebank sitzen. Mit dunklem Haar und noch dunkleren Augen.
»Moss?«
»Da fällt mir nur ein Einziger ein, aber der ist nicht in Dublin.«
»Conor Maggs. Natürlich, wer sonst. Hör zu, ich hätte dir das vielleicht schon eher sagen sollen, aber ich musste Eva versprechen, dass ich es nicht tue. Er hat sich bei ihr gemeldet. Ich weiß, dass er seit dem Prozess mindestens zweimal bei euch zu Hause angerufen hat.«
Quinns Körper versteifte sich. »Er hat Eva angerufen? Was zum Teufel wollte er von ihr?«
»Ich vermute, dass er sich gerne mit ihr getroffen hätte.«
»Aber sie ist
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