Seelenrächer
Sag mir um Himmels willen, dass du etwas für mich hast.«
»In der Tat, Mr. Doyle, in der Tat. Ich erwarte Sie in einer halben Stunde am üblichen Treffpunkt.«
»Geht das nicht gleich am Telefon, Jug? Nun sag schon!«
»Nein, nein, am üblichen Treffpunkt. Ich führe meine Geschäfte nie am Telefon, Mr. Doyle, das wissen Sie doch.«
»Jug«, entgegnete Doyle seufzend, »es ist acht Uhr morgens. Unser üblicher Treffpunkt hat noch geschlossen.«
Die Wasserratte schien über diesen Einwand nachzudenken. »Tja, da haben Sie recht. Klar. Dann vielleicht am besten in der Kirche. In einer halben Stunde in St. Peter’s.«
Doyle und Uttley verabredeten sich in der Kirche, die an der Kreuzung der Cabra und North Circular Road aufragte. Normalerweise trafen sie sich an der Theke des Conan-Doyle-Pubs, das nur einen Steinwurf vom Mountjoy-Gefängnis entfernt lag. Nun saß der Schwarzhändler mit einer Tasche zwischen den Füßen in einer Kirchenbank. Er hatte das Gesicht dem Altar zugewandt und die Hände tief in die Taschen seines Regenmantels vergraben. Von hinten wirkten seine Ohren immens groß und fielen wegen der dicken, sich lockenden Haare, die aus ihnen hervorsprossen, noch stärker auf als sonst. Nachdem Doyle sich mit einem Tupfer Weihwasser bekreuzigt hatte, ließ er sich hinter dem alten Mann nieder.
»Fass dich kurz, Jug«, sagte er, »was hast du für mich?«
Ohne sich umzublicken, hob Uttley eine schwitzende Hand und rieb Daumen und Finger aneinander, um Doyle mit dieser Geste zu bedeuten, dass er Geld wollte. Doyle schnappte kurz nach Luft, griff über die Rückenlehne der Kirchenbank nach Uttleys Fingern und drückte sie so fest zusammen, dass der alte Mann ein gequältes Japsen ausstieß.
»Arbeite erst mal deinen Vorschuss ab, du pickelarschiger Vollidiot. Also, was hast du mir zu sagen?«
Uttley befreite seine Finger aus Doyles Umklammerung und massierte sie mit der anderen Hand. »Solche Informationen«, erklärte er, »deckt der Vorschuss nicht ab.«
Doyle betrachtete ihn müde. »Weißt du, was? Wenn ich Zeit hätte, würde ich dir jetzt eigenhändig einen Zahn nach dem anderen ziehen, dann würdest du deine kostbare Information schon ausspucken. Seit Monaten erzählst du mir nichts, was ich nicht schon längst weiß. Du bist genauso nutzlos wie die Muschi einer alten Nonne.« Kopfschüttelnd fluchte er vor sich hin, während er gleichzeitig dreißig Euro aus seiner Brieftasche zog.
»Fünfzig, wenn Sie nichts dagegen haben, Mr. Doyle. Ich möchte mindestens fünfzig.« Doyle, der leise weiterfluchte, reichte ihm noch einen Zwanziger. Uttley nahm die Scheine in Empfang und ließ sie in seiner Tasche verschwinden. »Euer Mann ist in der Stadt«, verkündete er in ausgelassenem Ton. »Der, der mit der Cousine von Johnny, dem Schmierer geht. Er wohnt bei ihr. Gleich hinter dem Portobello-Hotel.«
Dienstag, 2. September, 08:30 Uhr
Mit gesenktem Kopf stand Maggs unter der Dusche. Er und Jane waren immer noch so verliebt, dass sie den vergangenen Tag größtenteils im Bett verbracht hatten, und als er an diesem Morgen erwacht war, hatte er ihren Körper dicht an seinem gespürt.
Sie war nicht besonders attraktiv – zu rundlich und ein bisschen zu blass –, aber sie war ein lieber Kerl, und er schätzte an ihr unter anderem, dass sie ebenfalls schon Schlimmes durchgemacht hatte. Als enge Verwandte von Johnny, dem Schmierer war sie im Schatten der Dubliner Unterwelt aufgewachsen, so dass ihre Lebensgeschichte mit Maggs’ eigener unglücklicher Kindheit durchaus mithalten konnte.
Dass sie zusammenlebten, behielten sie für sich, da manche Mitglieder ihrer Gemeinde so etwas nicht schätzten, auch wenn man in der heutigen Zeit wohl kaum noch von einem Leben in Sünde sprechen konnte. Jane selbst hatte anfangs ebenfalls Bedenken gehabt, eine sexuelle Beziehung mit ihm einzugehen, doch als Maggs ihr erklärte, dass sie beide auf diese Weise lediglich die Tatsache feierten, dass Gott sie zusammengebracht hatte, stellte es für sie kein Problem mehr dar. Dagegen war der Pastor von Harold’s Cross ein Pedant, der auf einer wörtlichen Auslegung der Bibel beharrte und nichts von Sex vor der Ehe hielt. Aus diesem Grund hatte Maggs es auch vorgezogen, den vergangenen Sonntagabend außer Haus zu verbringen, nachdem der Geistliche für besagten Abend seinen Besuch angekündigt hatte. Maggs versuchte sich gerade als Prediger zu etablieren: als der Mann, dem Jesus in einer Polizeizelle höchstpersönlich
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