Seelenrächer
nach einem schönen Reh? Einem, das reif war, von dir mitgenommen zu werden?«
»Ich habe es euch schon gesagt«, antwortete Jimmy, »Priester hin oder her, mein alter Herr kann den Sonntag nicht vom Samstag unterscheiden, genauso wenig wie von jedem anderen Tag.«
»Was ist das nur mit dir und den Frauen?«, fragte Quinn. »Wann hast du angefangen, sie zu hassen? Ging es damit los, dass Maggs’ Mutter sich zum Preis einer Flasche Schnaps von einem Vierzehnjährigen besteigen ließ? Oder war es die Tatsache, dass deine eigene Mutter dich so sehr verachtet hat, dass sie das Fegefeuer und den Grund des Shannon einem Leben mit dir vorgezogen hat?«
Plötzlich schlug Jimmy zu. Er ließ seine Faust so blitzartig vorschnellen, dass er Quinn fast an der Nase erwischte. Ehe er es sich versah, hatte Doyle ihn im Schwitzkasten und verdrehte ihm den Arm so brutal, dass er vor Schmerz jaulte. Doyle zwang ihn zu Boden.
»Sag mir, was das zu bedeuten hat!« Quinns Stimme klang drängend. » Eine Made kroch ihr ins Gehirn; so hieß es zu jener Zeit, doch nur Mary weiß Bescheid. «
»Nun sag es uns schon, Junge!«, schnaubte Doyle. »Los, erleichtere endlich dein Gewissen. Nach allem, was du mit deiner Mam und deinem alten Herrn durchgemacht hast, können wir dich weiß Gott verstehen. Auf diese Weise seine Mutter zu verlieren – im Wasser, von den Fischen angenagt –, da dreht doch jeder durch!«
Jimmy begann zu kreischen wie ein Kind. »Sie brechen mir den Arm, verdammt noch mal! Sie brechen mir meinen gottverdammten Arm!«
Doyle ließ ihn trotzdem noch nicht los, doch als Quinn schließlich nickte, hievte er ihn wieder auf die Beine. Quinn forderte ihn auf, sich zu setzen. »Ich werde ignorieren, dass du gerade versucht hast, mich zu schlagen«, informierte er Jimmy. »Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, aber ich weiß, wie einem so etwas zusetzen kann: all die Jahre, die du dich nun schon um deinen Dad kümmerst … seine Sauferei und die Sache mit deiner Mam und all das.« Er warf einen raschen Blick zu Doyle hinüber. »Laut Martin McCafferty sind die Leute unten in Kerry sogar der Meinung, dass es anständig von dir war, ihn nicht ins Irrenhaus zu stecken.«
Leicht irritiert rieb Jimmy sich das Handgelenk.
»Erzähl uns von Eva«, fuhr Quinn in sanftem Ton fort. »Nun komm schon, uns bleibt keine Zeit mehr. Dass du versucht hast, mich anzugreifen, vergesse ich einfach. Hauptsache, du sagst mir, wo sie ist.«
Jimmy schüttelte den Kopf. »Ich schwöre es Ihnen, Mr. Quinn, beim Grab meiner Mutter: Ich habe keine Ahnung, was mit ihr passiert ist.«
Dienstag, 2. September, 17:15 Uhr
Draußen auf dem Parkplatz lehnte Quinn sich mit dem Rücken gegen die Wagentür und schob die Hände in die Taschen.
»Was meinst du?«
Doyle zog ein Gesicht. »Ich weiß es nicht. Bei solchen Typen ist das schwer zu sagen: Der ist schon sein Leben lang ein Fiesling – aber ist er auch fähig zu der Art von durchdachter Planung und Vorgehensweise, mit der wir es in diesem Fall zu tun haben? Keine Ahnung.« Er stieß die Luft aus. »Wir werden es jedoch erfahren, sobald wir die Ergebnisse aus dem Labor bekommen.«
Als sie in die Einsatzzentrale zurückkehrten, saß der Superintendent an Quinns Schreibtisch, die Akten der fünf vermissten Frauen vor sich ausgebreitet.
»Irgendetwas Neues, Frank?«, fragte Quinn. »Neue Ansatzpunkte?«
Maguire schüttelte den Kopf. »Was ist mit Hanrahan?«
»Nichts aus ihm herauszubekommen.«
Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte, ließ Quinn sich auf der Schreibtischkante nieder und deutete auf die Akten. »Na, habe ich dich mit meinem ganzen abwegigen Gefasel endlich überzeugt?«
Maguire brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Ich will Eva finden, Moss. Was du gesagt hast, ergibt durchaus einen gewissen Sinn, deshalb wären wir natürlich Narren, wenn wir es ignorieren würden.«
»Also, was ist mit den lilienweißen Jungs? Wen kennen wir aus Kildare?«
Maguire gab ihm keine Antwort. Auf die Ellbogen gestützt, blätterte er die Seiten durch. »Fünf alleinerziehende Mütter«, stellte er fest. »Sechs, wenn man Mary mitzählt.«
»Und sieben, wenn man meine Frau mitzählt.«
Maguire schien das nicht zu überzeugen. »Moss, selbst wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass Mary in die Reihe dieser Frauen gehört – wobei wir so weit noch nicht sind –, muss ich in Evas Fall wirklich die Grenze ziehen: Sie passt einfach nicht ins Bild.«
»Vielleicht nicht für dich,
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