Seelenraub
taten sie in den letzten Tagen häufig. Es beunruhigte ihn, dass er sie heute nicht gesehen hatte, obwohl sie ihm bei seinem morgendlichen Anruf wieder einmal nur die Ohren vollgezickt hatte. Er sprach gerne mit ihr, selbst wenn sie ihm die ganze Zeit nur Scherereien machte. Es könnte nicht schaden, sie anzurufen, oder? Sich kurz zu melden und zu hören, was sie so trieb? Sehen, ob sie irgendwelche Hilfe brauchte? Das würde Paul von ihm erwarten.
Er zögerte eine Minute, dann klappte er sein Handy auf und wählte. Eines Tages würde er vielleicht sogar mit diesem SMS -Kram klarkommen.
»Hey, Mädel, wie geht’s dir?«, fragte er, sobald Riley ranging.
»Gut. Was ist los?« Ihre Stimme klang neutral, als hätte sie keine Lust, Streit anzufangen. Vielleicht könnten sie so weitermachen.
»Morgen finden ein paar der Beerdigungen statt. Ich wollte fragen, ob du mich zu Hause abholen und zum Friedhof fahren könntest. Der Gottesdienst findet in South-View statt.«
»Okay«, erwiderte sie. »Weißt du, wie man dahin kommt?«
»Yeah.« Vor etwa einem Jahr war er zur Beerdigung eines anderen Dämonenfängers dort gewesen. »Sei gegen halb zwei bei mir.«
Beck hielt das Telefon ans andere Ohr und behielt seine Umgebung im Blick. Nur, weil alles ruhig zu sein schien, hieß es noch nicht, dass er in seiner Wachsamkeit nachlassen würde. Das war normalerweise der Moment, in dem es einen erwischte.
»Wie geht’s deinem Bein? Heilt es gut?«, fragte Riley.
»Geht schon besser. Und, was hast du heute gemacht?«, fragte er und versuchte, nicht zu klingen, als leite er ein Verhör.
»Eine Freundin hat mich überredet, mir die Haare schneiden zu lassen. Jetzt sieht’s besser aus. Und ich habe nach Harper gesehen«, sagte sie. Er hörte das Geräusch einer Autotür, die zugeschlagen wurde. »Er ist immer noch ein Mistkerl, aber zumindest säuft er nicht. Ich bin gerade in Little Five Points. Ich will mit Mortimer reden, vielleicht weiß er, wer Dad mitgenommen hat.«
Beck machte den Mund auf, um ihr zu erklären, dass das vielleicht keine gute Idee war, doch dann überlegte er es sich anders. Riley brauchte irgendwas Sinnvolles um die Ohren, was sie von Simon und all dem anderen üblen Zeug ablenkte. Außerdem konnte sie in Little Five Points nicht groß in Schwierigkeiten geraten. Es war vor allem ein Nekromanten- und Hexenrevier, weswegen sich die Dämonen in der Regel davon fernhielten.
»Hört sich nach einem Plan an«, sagte er. »Sag Bescheid, wenn du was rausfindest.«
Es gab eine kurze Pause, als hätte Riley eine Standpauke erwartet und wäre erstaunt, dass diese ausblieb. »Und wo bist du?«, fragte sie.
»Dämonenhochburg. Kein Glück bisher.« Erneut drehte er sich langsam einmal rund um die eigene Achse. Keine Gefahr.
»Ist jemand bei dir?«
Er lächelte, als er die Besorgnis in ihrer Stimme hörte. »Nee. Ich schaff das schon.«
»Beck …«, fing sie an, die Besorgnis war jetzt noch deutlicher herauszuhören. »Diese Dämonenwunde macht dir immer noch zu schaffen. Du brauchst jemanden, der dir Rückendeckung gibt.«
»Mir geht’s gut, Riley. Hier ist sowieso nichts los. Ich bin kurz davor, einzupacken, vielleicht fahr ich noch in die Lounge und spiel ’ne Runde Billard. Hab ich schon ewig nicht mehr gemacht.«
Nicht seit dein Daddy tot ist
.
Ihr tiefer Seufzer der Erleichterung ließ sein Lächeln breiter werden.
»Du hast echt ein hartes Leben, Dorftrottel«, zog sie ihn auf.
»Jupp, echt übel. Du schläfst heute Nacht auf geweihtem Boden, okay?«
»Boah, das nehme ich dir echt übel, dass du mich bei Stewart verpfiffen hast. Dafür bist du mir was schuldig.«
»Gern geschehen. Hauptsache, du bist in Sicherheit.« Er warf noch einen Blick in die Runde. Bis auf eine Ratte, die etwa drei Meter rechts von ihm auf einem zerbrochenen Mauervorsprung entlangkroch, gab es nichts, um das er sich kümmern müsste. Ihm fiel auf, dass Riley seine Frage noch nicht beantwortet hatte. »Du gehst doch heute Nacht auf den Friedhof, oder?«
»Nein.«
»Verdammt, Mädel, soll ich den Schotten noch einmal anrufen?«
»Das brauchst du nicht. Ich gehe in die St.-Brigid-Church, in deinen Schlupfwinkel.«
»Was? Oh. Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, knurrte er.
»Wieso? Dann hättest du eben wegen irgendwas anderem rumgemeckert.«
Sie hatte ihn ertappt. »Na, dann ist es ja gut«, sagte er, erfreut, dass er nicht wieder vor ihrer Wohnung Wache halten musste. Die letzte Nacht war nicht besonders
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