Seelenraub
witzig gewesen, bei seinem Fieber und dem Gefühl, der Tod würde sich schon mal warm machen.
»Tu mir einen Gefallen und verschwinde aus der Dämonenhochburg!«, verlangte sie. »Und wage es nicht, dorthin zurückzukehren, solange du niemanden hast, der dir Rückendeckung gibt.«
»Ich komm schon klar mit …«
»Wenn du nicht auf der Stelle abhaust, hetze ich dir Stewart auf den Hals. Ich schwöre es«, drohte sie.
Er musste grinsen. Wie geschickt Riley den Spieß umgedreht hatte! Jetzt machte sie sich tatsächlich Sorgen um ihn.
»Jawohl, Ma’am. Bin schon weg. Grüß Mort von mir.« Er klappte das Telefon zu, ehe sie auf Wiedersehen sagen konnte.
Das
hatte er schon immer gehasst.
Beck rückte den Riemen seiner Reisetasche zurecht und stapfte los zu seinem Truck. »Warum zum Teufel habe ich nicht daran gedacht, dass sie in der Kirche unterkriechen kann?«, murmelte er. Es war die naheliegende Lösung für das Problem. Aber Stewart hatte auch nicht eher daran gedacht. »Zu viel um die Ohren. Wir haben die Sache nicht mehr im Griff, und das ist nicht gut.«
Aber jetzt würde er erst einmal mit Freude Rileys Rat befolgen. Die beste Therapie, die er kannte, waren ein paar Runden Billard und ein eiskaltes Bier.
9. Kapitel
Little Five Points lag östlich der City, eine skurrile Mischung aus Kifferläden, Tattoostudios und Geschäften mit Retroklamotten. Anders als Five Points, sein Cousin downtown, trugen die Bewohner von L5P ohne Tierquälerei hergestellte Baumwolle, schworen auf gesunde Ernährung und stellten stolz ihre Dreadlocks oder Emoklamotten zur Schau. Sie sprachen von Aura, Ley-Linien und kosmischem Karma. Riley gefiel es in diesem Teil der Stadt. Es war nett hier, als würde unter den Straßen positive Energie fließen.
Anders als im Stadtzentrum waren Pferde hier willkommen. Natürlich hatte jede praktische Idee auch ihre Schattenseiten, und in diesem Fall waren es die ausgefallenen Kutschen. Sie waren zu einem Statussymbol geworden: Je mehr Geld eine Familie hatte, desto prächtiger verziert war die Kutsche. Es gab sogar eine Fernsehsendung, in der die Beförderungsmittel der Reichen und Berühmten aus dem ganzen Land vorgestellt wurden.
Dem Aussehen der offenen Kutsche vor ihr – reinweiß mit goldenen Akzenten – nach zu urteilen, hatte die Familie richtig viel Kohle. Beim Gold musste es sich um Farbe handeln; echtes Gold war zu teuer, um es an ein Gefährt zu verschwenden, aber der Effekt war beinahe derselbe. Zur Kutsche gehörte ein uniformierter Typ in blauem Samtmantel, kurzen Hosen, weißen Strümpfen und Rüschenhemd. Er trug sogar schwarze Schuhe mit großen Messingschnallen.
Wie peinlich ist das denn?
Zwei Mädchen trotteten heran, und nachdem er ihnen auf die plüschige, burgunderrote Bank geholfen hatte, verstaute der uniformierte Diener ihre Pakete im Inneren der Kutsche. Ungeduldig trommelte Riley mit den Fingern auf das Lenkrad. Dies war der erste Parkplatz, den sie seit zehn Minuten sah, und sie wollte ihn sich nicht wegschnappen lassen.
Während sie wartete, betrachtete sie die beiden Passagiere. Sie schienen in ihrem Alter zu sein, doch ihre Kleidung stammte eindeutig nicht aus dem Secondhandladen, und die Unmengen bunter Tüten zu ihren Füßen zeugten von einem Rieseneinkaufsbummel. Ein Mädchen zeigte dem anderen gerade ein Paar neue Schuhe, solche mit zehn Zentimeter hohen Absätzen, in denen man ständig umknickte. Sie waren leuchtend orange. Zehn Zentimeter hohe Absätze waren nicht Rileys Ding, doch sie wurde trotzdem neidisch. Wie lange war es her, dass sie shoppen gewesen war und nicht jeden Cent hatte umdrehen müssen?
Seit Mom krank wurde.
Die Krebserkrankung ihrer Mutter hatte jeden Extra-Dollar verschluckt, und als das Geld aufgebraucht war, hatte ihr Dad einen Riesenkredit aufgenommen, um die Rechnungen zahlen zu können. Für Riley hatte das bedeutet, keine neuen Klamotten mehr, keine neuen Schuhe, zumindest nicht, solange die alten noch passten. Jeder Cent wurde gespart, und jetzt, wo ihr Vater tot war, hatte sich daran nichts geändert.
Das ist so was von ungerecht.
Riley zuckte zusammen, und das Neidgefühl verflog rasch. Coole Schuhe und neue Kleider wären nett, aber sie hätte alles dafür gegeben, ihre Mom und ihren Dad wiederzubekommen.
Die Kutsche rollte aus der Parklücke. Das hübsche schwarze Pferd trabte klappernd über das Pflaster, während die Modefans sich in der Anbetung ihrer Einkäufe ergingen und ein Kleidungsstück nach dem
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