Seelenraub
nicht der Peter, den sie kannte. Er war niemals ein Risiko eingegangen, um von der Aufsicht ja keinen Hausarrest aufgebrummt zu bekommen. Jetzt, wo seine Eltern sich scheiden ließen, schien er entschlossen, Neuland zu betreten.
Riley warf ihm einen fragenden Blick zu, als sie an einer Kreuzung anhielt. »Bist du sicher?«
»Yeah, solange dieser Fünfer nicht auftaucht.«
»Dürfte eigentlich nicht passieren.«
Zumindest nicht tagsüber.
Mitten auf der nächsten Kreuzung stand ein Mann mit orangefarbener Weste und weißen Handschuhen, wie eine Mischung aus Butler und Verkehrspolizist. Da die meisten Ampeln gestohlen worden waren, gehörte er zum neuen städtischen Konzept der MVAs – menschliche Verkehrsampeln. Für etwas mehr als fünf Dollar pro Stunde hatte er das Privileg, auf der Kreuzung zu stehen und zu versuchen, nicht zerquetscht zu werden.
Während sie wartete, dass sie weiterfahren durfte, fragte Riley: »Läuft es zu Hause inzwischen etwas besser?«
Peter ließ sich im Sitz zurücksinken. »Nein. Mom macht uns immer noch Schuldgefühle, und Dad sagt überhaupt nicht viel.«
»Bei wem willst du leben?«
»Bei Dad, auf jeden Fall. Er ist cool. Er hat Regeln, und manche davon sind ziemlich behämmert, aber er ist nicht so wie Mom.«
»Was passiert, wenn du ihr das sagst?«
Verzweifelt schüttelte Peter den Kopf. »Es wird einen totalen Nervenzusammenbruch auslösen. Sobald ich ihr die Wahrheit sage, wird sie mir Matthews Tod an den Kopf werfen. »
»Das klingt ja echt scheußlich, Peter.«
»Das ist es«, murmelte er. »Seit die Ghuls da sind, tickt Mom nicht mehr ganz richtig.«
Nur Peter nannte die Zwillinge so. Riley dachte an den Tag, an dem ihr Freund ihr verkündet hatte, dass seine Mutter schwanger sei. Er war damals dreizehn gewesen und von der Tatsache, dass seine Eltern Sex hatten, außerordentlich angewidert.
»Sie tun mir leid«, sagte er jetzt. »Sie wissen eigentlich gar nicht, was los ist, also sind sie im Moment ziemlich empfindlich.«
Zwei unleidliche Dreijährige. Kein Wunder, dass ihr Freund aus dem Haus wollte, selbst wenn er dann eine Elster fangen musste.
»Ich würde es ihr einfach sagen und die Sache hinter mich bringen, Peter. Es zerreißt dich, das sehe ich doch.«
Er nickte, erwiderte aber nichts darauf.
Meine Eltern haben zumindest niemals aufgehört, sich zu lieben.
Nach einem behandschuhten Winken der menschlichen Verkehrsampel schob sie sich vorsichtig über die Kreuzung und fuhr weiter Richtung Osten zum Juwelier in Poncey Highland. Peter mit seinen scharfen Augen entdeckte das Schild vor ihr. Riley glitt in eine Parkbucht vor dem Laden, einem dieser Familienbetriebe, die aussahen, als befänden sie sich schon seit Jahrzehnten am gleichen Ort.
Als Riley den Motor ausstellte und sich ihre Botentasche schnappte, schienen Peter doch noch Zweifel gekommen zu sein.
»Ist es gefährlich?«, fragte er.
»Überhaupt nicht. Den Kerlen geht’s nur ums Klauen. Darum nennen wir sie auch Höllendiebe. Sie fahren nur auf Glitzerzeug ab.«
»Was für Glitzerzeug?«, wollte er wissen.
»Je funkelnder, desto besser.«
Er dachte darüber nach. »Okay, ich schaue mir das mal an. Wenn es unheimlich wird, bin ich draußen.«
Das war nur fair.
Gerade, als sie aussteigen wollte, piepte ihr Telefon – eine SMS von Mortimer: Die Auktion stand an, und wenn sie wirklich dabei sein wollte, musste sie sich den nächsten Abend freihalten. Anschließend nannte er Zeit und Ort. Ehe sie darauf antworten konnte, kam eine zweite SMS : WENN DU KOMMST, ZIEH KEINE JEANS AN .
Man erwartete von ihr, nach Sonnenuntergang auf geweihtem Boden zu sein. Sollte sie das Risiko eingehen?
»Riley?« Peter stupste sie an. »Ist was passiert?«
»Nein, ich versuche nur gerade, etwas zu entscheiden.« Was, wenn der Fünfer ihr bis zu dieser Versteigerung folgte? Dann dachte sie daran, wer dort sein würde – Totenbeschwörer, die zum Spaß und um des Profits willen Magie ausübten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Dämon sich mit so einer Versammlung anlegen würde, wenn er einfach einen besseren Moment abpassen könnte, in dem sie ungeschützt war. Zudem würde Ori sich an ihre Fersen heften. Sie schickte Mortimer rasch eine SMS , dass sie kommen würde.
Rileys Freund betrachtete inzwischen eines der Ladenschaufenster. Es funkelte und glänzte, was das Zeug hielt. »Wie willst du dieses Ding einfangen?«, fragte er.
Sie kramte in ihrer Tasche, zog eine Lerntasse heraus und
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