Seelenriss: Thriller
Hardings Leichnam folgend.
Lena strich sich die Haare aus der Stirn und schüttelte den Kopf. »Nein … natürlich nicht.«
»Aber?«
»Es ist nur … er hat mir das Überwachungsvideo von diesem Brand gezeigt« – sie hob den Blick und sah Belling in die Augen –, »Nadine Harding hätte gerettet werden können, wenn nur einer dieser Menschen stehen geblieben wäre und ihr geholfen hätte, anstatt nur an sich selbst zu denken.«
Ihr Partner verzog das Gesicht. »Das ist noch lange kein Grund, diese Menschen zu ermorden.«
»Natürlich nicht …«, sagte Lena und beließ es dabei. Sie würde nicht so weit gehen, mit einem Serienkiller zu sympathisieren. Doch die Wut, die Harding auf diese Menschen verspürt hatte, konnte sie zumindest ansatzweise nachvollziehen.
»Kommen Sie«, sagte Belling in das entstandene Schweigen hinein und schlang seinen Arm um ihre Schultern.
Lena nickte und warf einen letzten Blick auf Harding, ehe sie sich von Belling aus der Wohnung führen ließ.
50
Einige Tage später …
Lucys Geburtstagsfeier war bereits in vollem Gange, als Lena gegen halb neun in einer dunklen Jeans und einem schwarzen, rückenfreien Top in der überfüllten Altbauwohnung in Steglitz auftauchte.
Nach einem weiteren ernüchternden Termin bei Doktor Hoffmann im Krankenhaus war Lena alles andere als in Feierlaune gewesen. Sie hatte entschieden, zu Hause zu bleiben und sich in ihrer Wohnung zu verkriechen. Nachdem sie aber mit ihrem Kater auf der Couch gesessen und zwei Stunden lang sinnlos durch die Fernsehkanäle gezappt hatte, hatte sie sich schließlich doch noch aufgerafft.
Natürlich hatte sie niemandem von dem Tumor in ihrem Kopf erzählt. Selbst Matthias hatte sie im Unklaren darüber gelassen und ihren Krankenhausaufenthalt als Kreislaufzusammenbruch bagatellisiert. Doch wenn sie nur halb so schlecht aussah, wie sie sich fühlte, würde sie neben den Toten im Leichenschauhaus wohl nicht weiter auffallen. Dennoch hatte sie sich vorgenommen, wenigstens an diesem Abend keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden.
Lucy begrüßte sie in einem roten Minikleid und drückte ihr nach einer herzlichen Umarmung einen Gin Tonic in die Hand. Lena hatte sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge gebissen, als ihr eingefallen war, dass Lucy in ihren Geburtstag reinfeierte und es zum Gratulieren noch zu früh war.
Kaum war sie eingetreten, nahm Lucy bereits die nächsten Gäste in Empfang. Nach bekannten Gesichtern Ausschau haltend, schlängelte sich Lena zwischen den Gästen hindurch. Sie entdeckte Wulf Belling, Volker Drescher, Ben Vogt und andere vertraute Gesichter aus der Mordkommission am Buffet. Mit einem freundlichen Lächeln ging Lena auf sie zu. Es tat gut, die Kollegen einmal außerhalb des Dienstes anzutreffen. Im weiteren Verlauf des Abends wurde viel gelacht und getanzt, und Lena bereute es nicht, doch noch hergefahren zu sein.
Als um Mitternacht eine riesige Geburtstagstorte angeschnitten wurde, kam zu Lenas Erstaunen Ben Vogt mit schiefem Grinsen auf sie zu und sprach ihr seine Anerkennung zu dem gelösten Fall aus. Schon etwas betrunken, nahm er Lena zur Seite und sagte mit leichtem Lallen in der Stimme: »Sie haben gute Arbeit geleistet, Peters.«
Überrascht lächelte Lena ihn an. Ben Vogt war so ziemlich der Letzte, von dem sie ein Lob erwartet hätte. Umso mehr freute sie sich darüber. »Danke«, sagte sie und stieß mit ihm an.
»Eines ist jedoch auffällig …«, meinte er und steckte lässig eine Hand in seine Hosentasche. »Jeder Mann, dem Sie zu nahe kommen, stürzt sich entweder vom Balkon oder jagt sich ’ne Kugel in den Kopf.«
Das saß. Lena lächelte ihn mit zusammengebissenen Zähnen an. Fast hatte sie geglaubt, Vogt sei vielleicht doch nicht so ein Arschloch, wie sie gedacht hatte. Ein Irrtum, er würde sich wohl nie ändern. Sie zuckte nur mit den Achseln und sagte: »Dann sollten Sie mir künftig besser aus dem Weg gehen.«
Sein Lächeln gefror.
»Ich glaube, die Torte wird angeschnitten«, sagte Wulf Belling, der in diesem Moment zu ihnen stieß. Er kam wie gerufen. Lena hakte sich bei ihm unter und ließ Vogt stehen.
»Sagen Sie bloß, Sie und Vogt haben endlich das Kriegsbeil begraben?«, fragte Belling, während er Lena durch die Menge führte. Kopfschüttelnd lachte sie auf. »Jedenfalls nicht in diesem Leben.«
Über Wulf Belling konnte sie hingegen behaupten, dass er ihr trotz der Differenzen, die sie gelegentlich miteinander ausfochten, in den vergangenen
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