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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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abgenommen, verriet mir, dass er glaubte, mich zu haben.
    »Warum kennt Sie ihr Lebensgefährte nicht? Und wieso gibt es sonst keine Hinweise auf Sie?« Das ›sonst‹ meißelte ich mir ins Hirn und kreiste es rot ein. Der erste Fehler.
    »Weil Frauen Geheimnisse haben.«
    »Verschonen Sie uns bitte mit Ihrem Sexismus«, antwortete Moratti, »warum soll er nichts von Ihnen gewusst haben?«
    »Weil Marianne und ich eine Beziehung hatten.«
    »Warum hat sie ihren Freund nicht verlassen?«
    »Weil das nicht nötig war. Uns beide verband nur ein ganz spezielles Interesse. Darum auch keine Hinweise auf mich.«
    »Was für ein Interesse?«
    »Sex.«
    »Den konnte sie auch mit ihrem Freund haben.«
    »So was nicht.« Ich war ganz im Marquis-de-Sade-Feeling und knapp davor, ein paar wüste Details, die ich von meiner pubertären Lektüre noch behalten hatte, zum Besten zu geben. Stattdessen war ich klug und leerte mir Sencha in den Hals.
    »Warum haben Sie beide sich dann vorgestern getroffen, wenn es nur um Sex ging?«
    »Ganz genau das war ja der Grund, warum wir uns getroffen hatten.«
    Diesmal zuckte es in beiden Augenpaaren.
    »Aber Sie hatten keinen. Sie waren essen und wir wissen, was Frau Schauberger danach machte. Da war gar keine Zeit dafür.«
    »Sie übersehen das Wesentliche.«
    »Was?«
    »Das Essen.«
    »Blödsinn, da waren Dutzende Leute anwesend, das wäre jemandem aufgefallen.«
    »Die Leute meinen auch, dass man ihnen die Brieftasche nicht aus dem Sakko klauen kann, ohne dass sie es merken. So lange, bis sie weg ist. Danach glauben sie es.«
    Frechheit siegt. Oder, wie die Weisheit des preußischen Generalstabs es formuliert hatte: Immer feste druff. Dem Gegner nur keine Chance geben, sich zu sammeln.
    »Also«, ich riss die Initiative an mich, »sagen Sie mir dann auch irgendwann einmal, was es mit Marianne auf sich hat?«
    »Frau Schauberger ist heute in den frühen Morgenstunden zu Tode gekommen.«
    »Todesursache?«, fragte ich, bemüht, betroffen zu klingen. Außerdem sollte meine Stimme belegt klingen, doch das gelang nicht so gut.
    »Die Ermittlungen sind noch im Gange.«
    Ich schenkte mir Tee nach, drehte mich im Stuhl um und schaute zum Fenster hinaus. Es sollte der Eindruck trauernden Sinnens entstehen, obwohl ich innerlich fieberhaft nachdachte. Wenn sie das Notizbuch der äthiopischen Prinzessin hatten, würde sich alles verkomplizieren. Wenn dem nicht so war, und das Verhalten der Polizisten schien mir dafür Indiz genug zu sein, war alles gut.
    »Ich dachte, es wäre nur um Sex gegangen?«, fragte mich die Stahlklinge provozierend. Moratti schaute sie vorwurfsvoll an.
    »Überlassen Sie es ruhig mir, um wen ich trauere, ja?« Momentan war das Schaubergers Notizbuch. Aber das ging die beiden Kiberer rein gar nichts an.
    »Wo waren Sie heute Morgen, zwischen vier und fünf Uhr?«
    »Hier im Büro.«
    »So lange gearbeitet?«
    »Nein, geschlafen, Sie haben ja selbst gesehen, dass meine Wohnung momentan nicht zu benützen ist.«
    »Warum gehen Sie nicht einfach ins Hotel?«
    »Haben Sie hier irgendwo einen Geldscheißer herumstehen sehen? Wenn ja, sagen Sie mir bitte, wo er ist. Könnte ich momentan nämlich echt dringend brauchen.«
    »Gibt es irgendwelche Zeugen?«
    »Außer Panini niemanden.«
    »Wer ist das, der Hausmeister?«
    »Nein, Sanskrit-Grammatiker, seit zweieinhalb Jahrtausenden tot.« Ich klopfte auf den dicken Lederband der Übersetzung von Otto Böhtlingk, der mir des Nachts als Nackenstütze gedient hatte und nun auf dem Schreibtisch lag.
    »Sie lesen solche Sachen? Beruflich oder aus Interesse?« Stahlklinge war beeindruckend. Mit ein paar persönlichen Fragen versuchte sie, Vertrauen aufzubauen, mich zum Reden zu bringen, um dann zum rechten Zeitpunkt wieder auf das Hauptthema umzuschwenken. Sie sollte mich nicht unvorbereitet treffen.
    »In diesem Fall aus reinem Interesse. Manche Menschen lesen Liebesromane, ich hingegen Grammatiken.«
    Es entstand eine kleine Pause. Die beiden waren gut eingespielt.
    »Sanskrit ist doch das indische Latein, oder?«, fragte Moratti nun, auf Panini zurückkommend.
    »Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, doch was bringt es, Grammatiker einer ausgestorbenen Sprache zu lesen? Mir erschließt sich schon der Sinn des Ganzen bei einer lebenden Sprache nicht ganz.«
    »Zum einen kommt man so den Gesetzen, nach denen sich Sprachen im Lauf der Zeit verändern, auf die Spur. Man kann Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Sprachen erkennen. Politische,

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