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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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ökonomische und soziale Konstellationen wirken sich genauso auf Sprachen aus. Viel von dem, was weder archäologisch noch historisch zugänglich ist, hat sich in der Sprache erhalten. Diese Arbeit ist ein kleines, aber sehr wichtiges Puzzleteil im großen Bild der menschlichen Kultur. Zugegeben, Atombomben und Pornos lassen sich damit nicht herstellen. Jedoch im Fall von Panini eben«, ich klopfte auf das Buch, »kommt er einer universalen Grammatik sehr nahe. Sehen Sie, jede Computersprache beruht auf den von Panini in seinem Buch aufgestellten Forderungen.« Ach, mir fehlten meine Studierenden, nicht weil sie so großartige Menschen waren, sondern weil man so gut dozieren konnte. Das war das Harte an den Sommermonaten, man konnte niemandem Vorträge halten. »Dass Sie Fahndungsfotos und Fingerabdrücke elektronisch speichern und verarbeiten können, wäre ohne diese Grammatik unmöglich.«
    »Interessant. So hab ich das noch nie gesehen. Zurück zum Thema. Über was haben Sie mit Frau Schauberger in letzter Zeit so gesprochen? Hat sie irgendwas erwähnt, was sie beunruhigt oder beschäftigt hat? Gab es irgendwelche Konflikte?«
    »Wir haben nie über substanzielle Dinge gesprochen, immer nur ein bisschen Schmäh und ein bisschen anzüglich. Für Ernstes bin ich sicherlich der falsche Ansprechpartner. Das ist schwer, vielleicht fällt mir noch was ein, momentan bin ich ein wenig stumpf.«
    »Ich verstehe. Wie haben Sie Frau Schauberger kennengelernt?«
    »Sie ist mir aufgefallen und ich habe sie angesprochen. War ein unwahrscheinliches Glück für mich. Das ist sehr persönlich. Wenn es nicht unbedingt nötig ist, möchte ich dazu nicht mehr sagen.«
    Die beiden nickten verständnisvoll. Oder taten so, jedenfalls. Außerdem hatten sie mir noch gar nichts erzählt. Kein Ort, keine Motive, keine Tatwaffe, gar nichts. Nada. Ich wusste nicht einmal, woher sie meinen Namen hatten. Das musste sich ändern, denn wenn das mit der Korkarian-Sache zu tun hatte, war das wichtig für Erich. Und nicht zuletzt auch für mich.
    »Ich sehe ein, dass Sie, während die Ermittlungen im Gange sind, mir nicht viel sagen werden. Ich möchte mich gerne von Marianne verabschieden, und das Begräbnis kommt da nicht in Frage. Wo ist es denn passiert?«
    »Bei ihr zu Hause.«
    Ich blickte wieder nachdenklich zum Fenster hinaus. Diesmal um die volle Wahrheit zu sagen. Es fühlte sich ein wenig ungewohnt an.
    »Wissen Sie, dass ich gar nicht gewusst habe, wo sie wohnt?«, bemerkte ich abwesend.
    »In der Rosentalgasse, das ist hinter der Baumgartner Höhe«, antwortete Moratti. Stahlklinge warf ihrem Partner einen bösen Blick zu, der seine Eier auf Erbsengröße schrumpfen ließ. Seltsam, es sind immer die Männer, die sentimental werden.
    Ich tat so, als hätte ich gar nichts gehört, und blickte noch ein wenig zum Fenster raus. Da ertönte draußen auf dem Gang das vertraute Klacken von Bleistiftabsätzen. Der Rhythmus war mir bekannt, der Sound stammte von René Caovilla, dem Maestro aus der Via Paradisi. Das war Professor Glanicic-Werffel, meine Chefin. Wer sie kennt, nennt sie ›Die sieben Furien‹. Natürlich nur hinter ihrem Rücken.
    Ich hatte mich noch kaum gewappnet, da ging auch schon die Tür auf. In ihrem Institut klopft Frau Professor Glanicic-Werffel nicht. Die Antike hatte dafür einen Namen: Cäsarenwahn.
    »Linder, was machen Sie auf der Uni, wohnen Sie etwa hier?«, wollte sie schon loskeifen, als sie im letzten Moment bemerkte, dass wir nicht alleine waren. Die Würde der Institution, die auch ihre eigene war, schätzte sie höher, schimpfen konnte sie später immer noch. So wurde daraus ein: »Herr Lektor, stellen Sie mich nicht vor?«
    »Das sind Herr Moratti und seine Kollegin von der Kripo Wien, Sektion West – …«, ich blickte Stahlklinge fragend an und endlich gab sie ihren Namen preis, sie hieß im bürgerlichen Leben Susanne Molnar, »… – Frau Ordinarius Glanicic-Werffel.«
    Frau Professor lieben es, mit der männlichen Form ihres Titels angesprochen zu werden. Wenn es geht, so altertümlich wie möglich. Die beiden Polizisten gaben sich höflich, was sicherlich auch an der Erscheinung meiner Chefin lag. Das klassisch geschnittene Gesicht mit den eisgrauen Locken und die schlanke Gestalt, in Mailänder Couture gehüllt, beeindruckten sie sichtlich. Nach ein paar nichtssagenden Floskeln war sie wieder draußen, zurück blieb nur ein Hauch von Chanel. Aber nicht Nummer fünf. Zum Abschied hatte sie mir

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