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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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schwarze Freundin trauert, die Fahne der Konföderation trägt. Er hatte meinen Blick bemerkt.
    »Meine Eltern waren lange drüben. Ich auch. Ria hat das nie gestört.«
    Er zündete sich eine neue Zigarette an.
    »Also, was willst?«
    »Wissen, warum das passiert ist.«
    »Des is net passiert. Des hat aner draht.«
    »Und wer?«
    Achselzucken.
    »Is doch wurscht. Tot ist tot.«
    »Ich tu mir leichter, wenn ich weiß, wieso.«
    Dann holte ich tief Luft und tauchte in den Abgrund hinunter. Einmal kann man das, wie Schiller zeigt, beim zweiten Mal kommt man nicht mehr aus dem Schlund zurück.
    »Es hat einen guten Freund von mir erwischt. Vor etwa drei Monaten. Manchmal, wenn die Tür aufgeht, denke ich, dass es er ist. Oder wenn das Telefon läutet. Ich hab ihn auch schon drei Mal in der U-Bahn gesehen. So kann ich damit umgehen, weil ich weiß, wieso. Sonst könnte ich damit nicht leben.«
    »Ich werd eh aus Wien weggehen.«
    »Dann siehst du sie halt in Atlanta im Bus. Glaub mir, du wirst im Augenwinkel eine Bewegung wahrnehmen, dein Herz macht einen Freudensprung, bis dein Hirn ›tot‹ sagt und dann wirst du merken, dass es eine andere war. Wenn du dann nicht weißt, wieso, wie und wer, dann läufst du dein Leben lang nur Gespenstern nach.«
    »Und wie kommst du überhaupt drauf, dass du was rausfinden kannst? Mehr als die Kiberer?«
    »Weil ich enorm Glück habe. In solchen Dingen zumindest, in anderen weniger.«
    »Glück reicht?«
    »Ein bisschen Erfahrung auch.«
    »Aber nicht viel?«
    »Genau.«
    Er lächelte wieder auf diese sparsame Art.
    »Außerdem reden die Leute mit mir mehr als mit den Kriminesern. Weil keiner Angst hat, dass ich ihn einbuchten könnte, vielleicht.«
    »Ja, mich hast du zum Reden gebracht.« Seine Zigarette war heruntergeraucht und er dämpfte sie wieder in dem alten Einweckglas aus.
    »Warum ist keine Polizei da, oder ist es woanders passiert?«
    »Sind schon alle wieder weg. Waren enorm fix. Bis auf den eigentlichen Tatort darf ich auch überall hin. Nur Rias Arbeitszimmer oben«, er deutete hinauf, wo ein kleines Dachfenster über uns in den Wald hinausschaute, »ist noch abgesperrt.«
    »Wo warst du?«
    »Mit ein paar Freunden zusammen. Gegen zwölf war ich zu Hause, bin ins Bett. Wenn Ria in ihrem Arbeitszimmer war, wollte sie nicht gestört werden. Sonst ist sie ausgezuckt, komplett. Das war ihr Zimmer, ihr Bereich. Für mich war das tabu. Irgend so eine Frauensache halt.«
    »Dann?«
    »Ich bin irgendwann aufgewacht, vier oder so, und sie suchen gegangen. Es brannte Licht, doch sie hat nicht geantwortet. Da bin ich rein.«
    Ob sein Alibi stimmte, konnte mir egal sein, das würden schon die beiden Cops erledigen. Besser als ich das könnte.
    »Weißt du, ob sie Besuch hatte, oder hat sie was gesagt?«
    »Nein. Keine Ahnung.«
    »Die Tür ist in Ordnung, kein Einbruch irgendwo?«
    Er schüttelte den Kopf und schaute in seine Bierflasche.
    Klassische Standardschlussfolgerung: Opfer kennt Mörder, öffnet und so weiter. Hundertmal im Fernsehen gesehen. Gar nicht gut für mich. Je mehr Standard, umso weniger Anhaltspunkte. Meiner Meinung nach der Grund, warum Sherlock Holmes immer die komplizierten Fälle wollte, weil die simplen einfach nicht zu lösen sind.
    »Marianne hatte ein Notizbuch, grauer Einband, unliniert, jede Menge Einträge in blauer Schrift. Es waren auch Rechnungen, lose Blätter, Fotografien und solche Sachen drin. Das hat die Polizei nicht gefunden. Weißt du, wo es ist?«
    »Immer in ihrer Handtasche, sonst auf ihrem Schreibtisch.«
    »Also ist es weg.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Ihr Handy haben die Kiberer auch. Weißt du, wer ihre letzten drei Anrufer waren?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Gegen zehn hab ich mal angerufen, aber sie hat nicht abgenommen. Hat sie meistens nicht, wenn sie gearbeitet hat.«
    »Und wie?«
    »Messer.«
    Er fuhr sich mit dem Zeigefinger quer über die Kehle, das hatte mir noch gefehlt. Ein Wahnsinniger mit einem Messer. Welcher Schwachkopf kam bloß auf eine solche Idee? Ab und zu stirbt wer bei einem Gerangel, weil die Rettung zu lange braucht, aber einen echten Mord mit einem Messer konnte ich mir nicht wirklich vorstellen. Da ist eine ziemliche Brutalität vonnöten. Oder Hass. Und jede Menge Geschicklichkeit.
    Wenn nicht das Notizbuch verschwunden gewesen wäre, hätte ich in diesem Moment alles auf ihren Liebhaber gesetzt, inklusive Platongesamtausgabe und Erstpressung von ›Kind of Blue‹. Und meine Arare-Kanne obendrauf. Ohne

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