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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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und seine nackten Füße spürten das Gras zwischen den Zehen. Er bemerkte mich erst, als ich ihn ansprach, wandte dann den Kopf sehr langsam zu mir herüber, wobei ihm sein Haar ins Gesicht schwang, und nahm einen Zug.
    »Polizei?« Er blies aus. »Sonst verschwind’ einfach.« Er wandte wieder den Kopf und blickte zum Ende des Grundstückes, dorthin, wo der Wald begann. Hier im Schatten roch die kühle Luft nach Feuchtigkeit, Moder und Obst.
    »Kann ich mich nicht dazusetzen und wir reden einfach ein bisschen?«
    Seine Antwort bestand aus einem Blick. Ich war froh, dass Glanicic-Werffel den nicht draufhatte, er war zu unangenehm, um ihm jeden Tag ausgesetzt zu sein.
    »Wir können auch schweigen.«
    »Mir können di a ins Krankenhaus bringen. Wannst wüst.« Er runzelte die Brauen und dämpfte die Zigarette in einem Marmeladenglas aus, das halb voll mit Asche, Streichhölzern und Stummeln war.
    »Ich hab Marianne gekannt.«
    »Na und. Aber ich dich nicht. Reiß o’.« Er war nun knapp davor aufzustehen, um auf mich loszugehen. Schlägerei wollte ich keine.
    »Marianne hat mir sehr geholfen. Ich kann nicht so einfach gehen.« Er stellte die Bierflasche ab und stand auf.
    »Wer hat gsagt, dass es einfach wird? Und gehn kannst nachher sicher nimma.«
    All seine Wut auf Gott, die Welt und sonst was war nun auf mich fokussiert. Er hatte den Kopf gesenkt, kam direkt auf mich zu. An einem Finger seiner linken Faust trug er einen Ring. Irgendeine Art silberner Totenschädel. So was kann einem die Hirnschale knacken. Ich ließ die Tasche fallen und ging auf ihn zu. Fred hatte immer gesagt, aus der Distanz oder in die Distanz gehen. Das sind die beiden Möglichkeiten, die man hat. Und austeilen oder einstecken. Heute war ich in Nehmerlaune.
    Zuerst mit rechts einen kurzen Haken in den Bauch. Dann einen mit links. Alles, was es bei mir an Muskeln gab, hatte ich angespannt. Höllisch weh tat es trotzdem. Übel wurde mir auch. Ich hatte meine Arme um ihn geschlungen, blickte ihm tief in die Augen und drückte zu, hielt ihn fest. Er schlug mich noch zwei-, dreimal in die Rippen. Aus der kurzen Distanz muss man das schon richtig gut können, um einem wehzutun. Er konnte es nicht, aber auch so würde ich morgen ein paar blaue Flecken haben. Die ganze Zeit starrte ich ihm in die Augen, bis er mich wahrnahm. Dann ließen auch die Schläge nach. Danach heulte er.
    Als die Sache vorbei war, saßen wir beide auf der Bank, ich ein bisschen ramponiert, und hatten ein Bier in der Hand. Die Musik spielte immer noch, sie kam von drinnen, aus einem offenen Fenster hinter uns. Der Song nun war ein bisschen rockiger, stampfender, hatte fast was von den Stones. Textlich drehte es sich um ein ›Hotel Illness‹, auch das schien gut zu passen.
    Er saß neben mir auf der Bank, hatte sich mit einem Streichholz eine neue Zigarette angeraucht und saß so da wie zuvor. Ich hatte Zeit. Nach einer kleinen Ewigkeit, zumindest schien es mir so, können auch nur fünf Minuten gewesen sein, brach er sein Schweigen.
    »Du hast sie kennt?«
    »Sag ich doch.«
    »Was willst du?«
    »Sie hat mir sehr geholfen, das kann ich nicht einfach auf sich beruhen lassen.«
    »Wie?«
    Ich erzählte ihm, wie die Schauberger beim Italiener das Notizbuch hatte liegen lassen, so dass ich Buehlin finden konnte. Er lächelte sparsam, doch effektiv. Mit so einem Lächeln muss man vorsichtig umgehen. Das kann Herzen brechen.
    »So war Ria. Immer so, dass man sich bei ihr nicht bedanken konnte.« Er trank sein kleines Ottakringer aus und hielt die Flasche hoch.
    »Noch eins?« Ich nickte. Er griff hinunter, in die kleine Stiege, die zum Keller hinabführte, und hatte zwei weitere nass-kühle Flaschen herausgeholt. Seine leere Flasche warf er einfach über den Heckenzaun hinüber zu den Nachbarn.
    »Ham di die klan Gfraster nassgmacht?«
    Ich nickte.
    »Ma muss froh sein, dass sie heutzutage überhaupt noch so was spielen. Net nur Handy und Computer.«
    Wieder nickte ich.
    »Hätt i in dem Alter a gmacht.«
    »Ich auch. Aber ich hätte zwischen die Beine gezielt, nicht auf den Kopf.«
    Wir grinsten beide.
    »Und was willst? Die Marianne ist tot.«
    Er wandte sich zu mir um. Erst jetzt bemerkte ich, dass sein graues T-Shirt das ’Stainless Banner’ klein über dem Herzen zeigte. Normalerweise wirkt so etwas immer ein wenig lächerlich, wenn man nicht gerade aus dem ›Cotton Belt‹ kommt, aber bei ihm nicht. Es braucht einen ganz speziellen Typen, der, während er um seine

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