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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Notizbuch war ich mir nicht ganz so sicher, meine Teekanne wär es mir nicht wert gewesen. Platon und Miles schon.
    Als ich mir die Sachen so durch den Kopf schwirren ließ, war unterdessen die Platte an ihr Ende gekommen. Der letzte Song musste irgendein Bonustrack sein, der bei den Sessions übriggeblieben war, das verrieten mir der Sound und die Fehler. »25 lbs of pure cane sugar, in each and every kiss«, das blieb mir von ihm im Gedächtnis haften. Der Mann musste schon mal Laura geküsst haben. Bei dem Gedanken wurde ich richtig eifersüchtig und brauchte ein wenig, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Die Sehnsucht aber blieb.
     
    »Von wem kam denn der Sound?«
    »Black Crowes.«
    »Nett. Nicht rasend originell, klingt ehrlich.«
    Er murmelte eine Zustimmung und wir hingen beide noch ein wenig unseren eigenen Gedanken nach.
    »Keine Idee, wer das war?«
    »Nein.«
    Aus dem Mann war nicht mehr viel herauszuholen. Ich trank noch mein Bier aus und verabschiedete mich dann. Auf der Straße überlegte ich noch kurz, ob ich mich nicht noch bei den Nachbarn umhören sollte. Ließ es jedoch bleiben. Davon hätte nur die Polizei Wind gekriegt, was ich gar nicht wollte, und außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass es mir etwas genutzt hätte. Wenn irgendjemand was gesehen hatte, wüssten das die Kiberer schon längst und ich würde dabei ohnehin nur zweiter Sieger bleiben.
    Also ging ich zurück zur Mauer des Sanatoriums und folgte der Straße, die einen steilen Hügel hinaufführte. Ich strolchte dann noch ein wenig im Wald herum, in dem das Sonnenlicht kleine, helle Punkte auf den Klee unter den Eichen malte. Schließlich stand ich vor dem Gartenzaun von Schaubergers Haus. Da war auch eine kleine Tür, die sich öffnen ließ. Ich ließ mich nicht bemerken, sah mich um und verschwand wieder. Der Mörder war ganz sicher hier hereingekommen. Leider fanden sich keine exotischen Zigarettenstummel oder Ähnliches.
    Ich spazierte gemütlich zur Bushaltestelle zurück, wo die Patienten schon gut in Stimmung waren, und wartete im Schatten auf den Bus. Die Zeit verkürzte ich mir durch ein bisschen Lektüre. Ist immer gut, wenn man seinen Sophokles dabei hat. Vor allem den in der zweisprachigen Tuskulum Ausgabe. Da kann man so herrlich an den Übersetzungen herumkritteln.
    Als der Gelenkbus kam, wendete und alle draußen waren, stieg ich ein, und kurz darauf ging es los. Richtung Stadt, wo sich die Hitze zwischen den Betonblocks staute.

IV
    Ich fuhr noch ein wenig mit den Öffis herum, das hilft beim Nachdenken, wenn die Gegend so an einem vorüberzieht. Der Ausflug ins Grüne hatte gedauert, und so war ohnedies nicht mehr viel Zeit totzuschlagen, bis sich die Leute vom KSV in der Johnstraße treffen würden. Am Meiselmarkt war viel los, es roch nach Gemüse, und ich schlenderte an den Ständen entlang. Danach überquerte ich die Hütteldorferstraße und betrat das Tivoli. Ein Vertreter der neuen Generation Kaffeehäuser, die langsam die Stelle der Alten einnehmen. Die Sitze sind nicht durchgesessen, es stehen Spielautomaten herum, und es fehlt entschieden an Tradition. In manchen sind die Ober sogar freundlich.
    An einem Tisch neben der Eingangstür nahm ich Platz, bestellte einen großen Mokka und musste feststellen, dass es keine Zeitungen gab. Na ja, ein paar schon, aber nur Schund. Dass die Zeiten, in denen noch Le Figaro, der Osservatore Romano oder die New York Times auflagen, lang passé sind, war mir bewusst. Aber ohne FAZ, Süddeutsche oder Standard konnte man ja schon fast zu Hause bleiben. Also verschanzte ich mich hinter einer Krone, was allein schon vom Format her ungünstig war, und hoffte, dass niemand, der mich kennt, eintreten würde. Außerdem wirkt es seltsam, wenn man in solch einer Zeitung stundenlang liest. So viele Buchstaben finden sich dort nicht.
    An der anderen Seite der Tür saßen schon ein paar Herren mittleren Alters und plauderten bei Kaffee und Himbeersoda über Herzinfarkte. Das mussten die Knaben vom KSV sein. Ich spitzte die Ohren.
    »Also«, ließ sich ein Herr mit Glatze und Vollbart vernehmen, »der Hans hat sein Infarkt in anara Partie ghabt.«
    »In Gewinnstellung« fielen die anderen am Tisch ein. Offensichtlich kannten sie die Story schon.
    »Genau. Klappt einfach zamm, Rettung kummt und transportiert ihn ab. Schwerer Infarkt, anahalb Minuten klinisch tot und dann drei Tage künstlicher Tiefschlaf. Erster Satz vom Hans nachm Aufwochn: ›Ist die Partie gwertet

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