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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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hatte genug, stand auf, sprang zu Boden und kehrte in das dunkle Zimmer zurück. Ihr Schwanz war voller Selbstvertrauen aufgerichtet, wie eine Fahne. Mich hatte sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.
    »Dann. Jetzt ist es mir egal.« Korkarian strich sich zurückgebliebene Katzenhaare von der Hose.
    »Wenn Sie mir sagen, was es mit den Seelenkrediten auf sich hat, kommen wir ins Geschäft.«
    »Zuerst Notizbuch, dann wir sehen weiter.«
    Er stand auf, hielt Abstand und wies zur Türe. Als ich an ihm vorbei war, folgte er mir. Immer mit Abstand. Draußen im Gang war es dunkel und still. Schließlich schloss sich die Wohnungstür hinter mir und ich stand im Stiegenhaus. Von seiner Tochter hatte ich nichts zu Gesicht bekommen. Wollte er nicht, dass sie von meinem Besuch wusste? Wer hatte nun eigentlich gelogen, die Schauberger oder Korkarian, war sie bei ihm gewesen oder nicht? Und wenn sie nicht dort gewesen war, wie hatte sie mich dann gefunden, woher von Buehlin gewusst? Wenn Korkarian nicht bluffte, dann wollte er das Notizbuch, gut. Das gab mir wenigstens etwas in die Hand, entweder Informationen für Erich oder Geld für mich. Nur finden musste ich es.
    Mit diesen Gedanken und jeder Menge anderer Grübeleien war ich das Stiegenhaus hinuntergegangen, beim Haus hinaus und dann zur U-Bahn. Ich erwischte noch gerade die letzte um halb eins und fuhr zurück zur Uni. Ich hirnte wie ein Verrückter, drehte alle Fakten um, fügte sie zusammen, wieder und wieder, aber es wollte nichts dabei herauskommen. Aus meiner Denkerei fand ich erst wieder in die Wirklichkeit zurück, als ich vor der Tür zum Institut stand und den Schlüssel in der Hand hielt.

V
    Ich schloss gerade die Tür hinter mir, als plötzlich eine Stimme ertönte. Vom Ende des Ganges her, dort, wo sich das Büro meiner Chefin befindet: »Linder, was machen denn Sie um diese Uhrzeit hier?« Ich fuhr zusammen wie ein Schulbub, den man beim Nasenbohren erwischt hat. In der hell erleuchteten Tür stand der Schattenriss von Glanicic-Werffel.
    In alter Übung hatte ich sofort eine Ausrede parat: »Ich hab den Panini vergessen und bin noch mal zurück, um ihn zu holen.«
    »Verschonen Sie mich bitte für einmal mit Ihrer Lügerei. Ich hab momentan echt nicht den Nerv dazu. Wir beide wissen, dass der Panini nicht ausgeliehen werden darf. Dazu bräuchten Sie meine schriftliche Genehmigung, die Sie nicht haben. Also, warum sind Sie hier?«
    Ich stand noch immer wie angefroren an der Eingangstür, den noch nicht gedrehten Schlüssel im Schloss, sie bei ihrem Büro. Gut zehn Meter entfernt.
    »Wasserrohrbruch, meine Wohnung ist derzeit nicht benützbar.«
    »Warum gehen Sie dann nicht in ein Hotel?«
    »Das ist finanziell unmöglich.«
    »Sperren Sie ab und kommen Sie dann zu mir. Ich hab keine Lust, weiter so zu schreien.«
    Ich tat wie geheißen und saß kurz darauf im Büro meiner Chefin. Die Fenster waren weit geöffnet, kühle Nachtluft strömte herein und unten fuhr alle paar Minuten ein Auto vorbei.
    »Für den Moment angenommen, Sie schwindeln nicht schon wieder. Warum lassen Sie sich nicht von Ihren Eltern helfen, Ihre Familie ist doch wohlsituiert. Da werden ein paar Hundert Euro kein Problem darstellen.«
    Der Gedanke, dass auch armer Leute Kinder studieren könnten, war ihr anscheinend noch nicht gekommen.
    »Schwierige familiäre Verhältnisse. Eine lange Geschichte.«
    »Sehen Sie, Linder, das glaube ich Ihnen. Wie man mit Ihnen kein schwieriges Verhältnis haben kann, ist mir unbegreiflich. Ihre Eltern müssen einiges mit Ihnen durchgemacht haben.«
    »Was auch reziprok gilt.«
    »Verschonen Sie mich mit Ihrer Klugscheißerei, lassen Sie uns für einmal ehrlich sein. Mir steht der Sinn wirklich nicht nach einem weiteren Wortgefecht.«
    Sie blickte einen Moment zum Fenster hinaus, dann strich sie sich eine der eisgrauen Locken aus dem Gesicht. Täuschte ich mich, oder hatte sie gerötete Augen? Nein, Furien weinen nicht. Dann fiel mir ein zerknülltes Papiertaschentuch in einem zugeklappten Buch auf. Doch, auch Furien weinen.
    »Sie haben noch gar nicht gefragt, warum ich hier bin.«
    Daran dachte ich schon die ganze Zeit, doch es gibt Dinge, die will man gar nicht wissen. Nur die wenigsten Augenzeugen überleben den Augenblick der Schwäche eines Tyrannen. Auch wenn er wunderschön, klug und weiblich ist.
    »Sie werden mit irgendwelchen Verwaltungsangelegenheiten beschäftigt sein, von denen …«
    »Nein. Ich kam heute Morgen aus Italien zurück.

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