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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Nehmerqualitäten habe, wäre ich beinahe in die Knie gegangen. Nach dem angenehm kühlen Halbdunkel im Weidinger verständlich. Ich schleppte mich zur U-Bahn und fuhr zurück zur Uni.

IV
    Die Hitze drang mühelos durch die geschlossenen Fenster in mein Büro, die frische Luft blieb allerdings draußen. Also war es nicht nur heiß, sondern auch stickig. Die Jalousien hatte ich heruntergelassen und einen Spalt so eingerichtet, dass sich über meiner Lektüre ein kleiner Lichtpunkt bildete. Ab und zu nippte ich an meiner Schale Tee und wischte mir dann den Schweiß von der Stirn. Lesen war Schwerstarbeit. Meine Gedanken verliefen sich ständig im Labyrinth von Paninis Sätzen und fanden nicht mehr heraus. Im Herz des Irrgartens wartete dann ständig eine dunkelhaarige Schönheit. Schweigend und rätselhaft wie die Sphinx, viel gefährlicher als der Minotaurus.
    Ich kam nicht so ganz dahinter, was da im Weidinger vor sich gegangen war, und das ließ mir keine Ruhe. Schließlich klappte ich das Buch zu und beschloss, nur mehr zu grübeln. Lesen konnte ich später immer noch. Über dem Grübeln verging die Zeit, der Tee wurde kälter, dann weniger, dann gab es neuen, und als der Neue sich auch wieder zu leeren begann, hatten sich ein paar Vermutungen festgesetzt. Ich schnappte mir meine Hemden, Unterhosen und Socken, steckte das Porträt von Johannes Paul ein und machte mich auf den Weg nach Hause.
     
    Eine halbe Stunde später stellte ich den Wäschesack vor der Tür der Hausmeisterin ab und klopfte. Es dauerte keine zehn Sekunden und mir wurde aufgetan. Die nette alte Dame bemerkte meinen Sack und nickte. Ich lächelte und nickte ebenfalls, dankbar. Schließlich holte ich das signierte Porträt heraus und reichte es ihr. Sie hielt es sich vors Gesicht, um dann mit einer Hand den Mund zu bedecken. Eine Geste des Erstaunens. Dann ging alles blitzschnell. Irgendwie verschwand der Wäschesack, ich wurde am Arm gepackt und landete in ihrem kleinen Wohnzimmer. Ich auf der Bank. Vor mir Butterbrot mit Salz und eine Flasche polnischen Wodka. Das Butterbrot war in kleine Bissen aufgeschnitten, und vor der Wodkaflasche stand ein dunkelgrünes, dickwandiges Schnapsglas. Das andere hielt die Hausmeisterin in der Hand. Da sie nicht Deutsch und ich nicht Polnisch spreche, war die Unterhaltung holprig. Es gelang trotzdem jedem von uns, zwei Schnäpse zu trinken und das Brot aufzuessen. Dann wurde ich auf die Stirn geküsst und wieder zur Tür hinausgeschoben. Morgen würde die Wäsche sauber, tadellos gebügelt und zusammengelegt auf mich warten. Leider aber auch gestärkt, was mir immer den Eindruck vermittelte, in Karton gekleidet durch Wien zu laufen.
    Ich stieg die ausgetretenen Stiegen hinauf in das Mezzanin. Meine Wohnungstür stand ausgehängt neben dem Rahmen, und aus der Wohnung heraus dröhnten Hammerschläge. Kalkweißer Staub hing schwer in der Luft. Ich ging auf die Tür zu und klopfte. Der Gewinner des Stalin-Lookalike-Bewerbs hörte mich, beendete eine Messung und kam auf mich zu.
    »Servas Dokta.«
    »Guten Tag, Meister.«
    »Hamma missma Tir aushänga, fir Werkzeug.«
    »Kein Problem, solang sie nacher wieder drin ist.«
    »Besser nicht reinschaun, ist Baustelle«, er breitete die Hände aus und versuchte, mir den Weg zu versperren, als ich an ihm vorbeizulinsen suchte. Was sich einigermaßen seltsam ausnahm, da er mindestens einen Kopf kleiner war als ich. Dafür war sein Schnauzer umso größer. Und sein Ego erst recht.
    »Schon gut. Ich bin nur gekommen, weil ich wissen wollte, ob eine Dame hier war und nach mir gefragt hat.«
    Bei dem Wort Dame verebbte der Baulärm und im niedersinkenden Staub erschienen plötzlich die anderen Handwerker. Einer steckte bis zum Hals in meiner Badezimmerwand, auf die ich von der Türe eigentlich gar keinen Blick habe, weil die Küchenwand dazwischen liegt. Liegen sollte, verbesserte ich mich. Gelegen hatte. Der kleine Stalin bemerkte meinen entsetzten Blick und schob mich zur Türe hinaus. Seinen Arbeitern schnippte er nur mit den Fingern, und der gnädige Staub verdeckte wieder den Blick auf die Baustelle.
    »Da war keine Frau da. Heite ganze Tag nicht.«
    »Gestern?«
    »Schon, aber …«
    »Wollte sie zu mir, hat sie nach meiner Nummer gefragt?«
    »Nein. Nicht so. War Frauen von oben, von Cheffe. Und erst nach Feierabend.«
    Ich lächelte. Nun war mir klar, wieso Mike mitten in der Nacht Handwerker zur Verfügung gehabt hatte. Mit Honig fängt man Fliegen.
    »Kein Problem

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