Seelenschacher
ganz.«
»Das ist vernünftig, aber mir auch egal.« Inzwischen war der Kaffee gekommen, ich hatte gezuckert und nahm einen kleinen Schluck.
»Wir verschwenden so nur unsere Zeit, wenn du mir nichts sagst.«
»Mit dir Kaffee zu trinken, ist keine Zeitverschwendung.«
»Mit dir schon.« Das Kirschsoda färbte ihre Lippen ein wenig dunkler, oder täuschte ich mich da?
»Sicher, ich bin ja keine schöne Frau.«
Sie lächelte. »Nein, das bist du nicht.« In ihrer wunderbaren Stimme spielte ein Lachen mit. Wie das Glucksen eines kleinen Waldbaches, den man durch die Bäume nicht sieht, aber schon hört. In Verbindung mit den verschwommenen Verschlusslauten ein zauberhafter Effekt. Wahrscheinlich wohl beabsichtigt, machte ich mir klar. »Darum gebe ich dir noch eine Chance. Hör gut zu. Vor einer Woche etwa kam schon einmal jemand wegen eines Seelenkredits zu uns. Derjenige ist jetzt tot.«
»Woher weißt du das?«
»Ich lese Zeitung.«
»Da steht so was drinnen?«
»Sicher.«
»Sollte ich auch mal probieren.«
»Schaden kanns nicht.«
Ich versteckte ein Lächeln hinter der Kaffeeschale, als ich wieder einen Schluck nahm.
»Und jetzt gehst du mit allen Kreditnehmern Kaffee trinken, um die Leute zu warnen, dass jemand rumläuft, der Menschen umbringt, die ihre Seele verpfändet haben. Ist einsichtig.«
»Nein. Nur mit denen, die irgendwie mit drinhängen.«
»Du meinst, ich bin der Serienkiller.«
»Eins ist noch keine Serie.«
»Könnte jedoch der Anfang sein. Auch eine Reise über tausend Li beginnt mit dem ersten Schritt.«
»Was soll das jetzt heißen?«
»Mao hat das gesagt, der hat anscheinend über 40 Millionen Menschen auf dem Gewissen.«
»Blödsinn, das Zitat kenn ich schon, dass kommt von Lao Tse.«
»Mao, Lao, die Chineser sind doch eh alles Japaner.«
»Das ist jetzt Qualtinger.«
»Stimmt. Du bist ziemlich sattelfest.«
»Spar dir deine Anzüglichkeiten.« Das hohe Glas mit dem roten Saft stand ihr gut zu Gesicht.
»Schmähohne jetzt. Dass ein Spezialkreditnehmer von euch unter der Erde liegt, gibt dir zu denken.«
»Dir nicht?«
»Ich sehe da nicht sonderlich viel Signifikanz. Bei jemandem, der seine Seele zu verpfänden bereit ist, scheint mir Mord gar nicht so abwegig. Ich wäre eher erstaunt, wenn so jemand beim Bingo einen Herzinfarkt hätte.«
»Woher weißt du, dass es Mord war? Davon hab ich nichts gesagt.«
»Überführt. Ich war’s. Wo hast du die Handschellen?«
»So leicht fessle ich dich nicht.«
»Leicht, immerhin hab ich wen dafür umgebracht.«
Sie winkte ab.
»Wie kommst du drauf, dass die Person ermordet wurde?«
»Wenn’s ein Insulinschock gewesen wäre, dann hätte es eine solche Nachricht nicht in die Zeitung geschafft, und wenn doch, würdest du deswegen nicht mit mir Kaffee trinken.« Außerdem hatte es mir die Polizei gesagt. Wenn es sich denn um die gleiche Person handelte.
»Wen hat es denn erwischt?«
»Eine junge Frau afrikanischer Abstammung. In meinem Alter.« Elena blickte nachdenklich den Stamm der Kastanie hinauf.
»Sie hatte einen Kredit bei euch?«
»Ja.«
»Kannst du mir eine Liste von den Leuten geben, die einen solchen Kredit haben?«
»Das ist nicht möglich.«
»Warum nicht? Hat dein Computer keine Printfunktion?«
»Doch.«
»Also, druck sie aus und gib sie mir.«
»Das geht nicht.«
»Hast du schon gesagt.«
»Datenschutzgründe. Wir dürfen nichts an Dritte weitergeben.«
»Merkt doch keiner.«
»Doch, mein Vater.«
»Man muss sich von den Eltern emanzipieren. Sonst rutscht man in ungesunde Verhältnisse.«
»Bei meinem Vater ist das genau umgekehrt.«
»Weißt du, was ›umgekehrt‹ auf Latein heißt?«
»Du wirsts mir sicher gleich sagen.«
»Pervers.«
Sie verzog das Gesicht zur Karikatur eines Lächelns.
Es hatte nicht zu mehr gereicht als einem Patt. Sie würde aus mir nichts rausholen und ich nicht aus ihr. Deswegen blickte ich auf meine Uhr, trank schnell den Mokka aus und sprang auf.
»Wir sehen uns sicher wieder, aber ich muss jetzt. War wunderschön.« Damit ging ich ins Weidinger hinein.
Obwohl schon nach zwölf, war drinnen noch immer kaum was los. Leises Stimmenmurmeln, Papierrascheln und Billardklicken. Ich zahlte beim Ober die beiden Getränke und ging hinaus. Am Gürtel rasten die Autos an mir vorbei, produzierten Lärm und Gestank, die Sonne war nun vollends durchgekommen und heizte herunter. Im prallen, schattenlosen Sonnenlicht schlug mir der Lärm wie eine Gerade ins Gesicht. Obwohl ich
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