Seelenschacher
und nahm einen Schluck. Sofort wusste ich, dass das keine gute Idee gewesen war, das Wasser würde nicht lange unten bleiben.
Goldring besaß den Internetshop nebenan. Es gab auch noch Handys, Hardware und sonstigen Kleinkram zu kaufen, alles zu enorm günstigen Preisen. Vielleicht war Kurti doch noch nicht endgültig im Ruhestand.
»Maschin vier«, rief mir Milan, so hieß er, zu.
Ich setzte mich hin und hatte eine Minute später Eugens Liste ausgedruckt, zweifach. Danach löschte ich das Mail und gab eine Kopie Kurti.
»Ah, des is fein. Da war i schon amol. Is schon lang her. Da hat die Hüttn no an anderen ghert.«
»Dann kennen wir uns also schon aus. Topografisch gesehen.«
»Lass die Bam net in Himml wachsen. Damals bin i eingsessen.« Wunderbar, ein gutes Omen ist schon was wert.
»Wenn die Generalprobe schiefgeht, bedeutet des für die Premiere nur das Beste.«
»Ah, so a Bledsinn. Es gibt so Häusln, de wos immer schiafgengan. Bein Hofrat Ardocker bin i seinerzeit viermal eingstiegn, jedes Mal habens mi kriagt.«
»Dann hast du aufgehört bei ihm einzusteigen?«
»Ah was, wia i wieda draußen war, is a scho gestorbn gewesen. Schad eigentlich. Ohne eahm hat’s kan Gspaß net gmacht, dann hab is bleibn lossn.«
Ich steckte mir mein Exemplar des Ausdrucks ein. Zu zahlen hatte ich nichts, das Ganze war ein Freundschaftsdienst gewesen. Milan ging zurück ins Kotanko, ohne seinen Laden auch nur abzusperren, Kurti machte sich auf den Weg und ich kotzte einfach hinter ein Auto, als die beiden außer Sichtweite waren. Galle, gelb, bitter und widerlich, und ein bisschen Wasser.
VII
Bemerkenswerterweise hielt sich der einsetzende Kopfschmerz in Grenzen. Das ruckelnde Busfahren zur Baumgartner Höhe machte trotzdem keinen Spaß. Mein Magen revoltierte, und immer wieder würgte ich trocken. Dazu kam, dass ich entsetzlichen Durst hatte und, so seltsam das klingen mag, auch ziemlichen Hunger. Wenn ichs recht überlegte, hatte mein letztes Essen aus einem mürben Kipferl bestanden, damals beim Frühstück mit Glanicic-Werffel. Ich nahm mir vor, demnächst ein bisschen mehr auf meine Ernährung zu achten. Sobald ich wieder etwas unten behalten konnte.
Oben auf der Baumgartner Höhe stieg ich aus und stakste um das Sanatorium herum. Im Wirtshaus an der Bushaltestelle saßen schon wieder die verzweifelten Zecher. Ich nahm denselben Weg wie das letzte Mal, um zur Rosentalgasse zu kommen. Der Unterschied bestand darin, dass damals die Sonne geschienen hatte und nun die Wolken tief hingen. Die nette Gegend im Sonnenschein hatte sich verwandelt und wirkte nun ein wenig unheimlich und bedrohlich. Kleine Indianer überfielen mich diesmal auch nicht, und so machte der ganze Weg deutlich weniger Spaß als zuletzt.
Vor dem Hexenhäuschen der verstorbenen Schauberger hielt ich kurz an. Die Gartentürklingel war noch immer defekt, und so ging ich zur Vordertür. Dort war abgeschlossen. Ein Blick sagte mir, dass auch die Garagentür verschlossen war. Hoffentlich war er noch nicht nach Amerika umgezogen. Aber vielleicht lag es auch daran, dass normale Leute um diese Tageszeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Ich machte noch eine Runde ums Haus, fand nichts und beschloss umzukehren. Alle Kfz-Werkstätten Wiens durchzugehen, hatte ich weder Zeit noch Lust. Auf dem Weg die Rosentalstraße zurück, rief mich allerdings eine Stimme aus dem Hintergrund an. Zuerst konnte ich nichts sehen, bis sich die Thujenhecke bewegte und ein altes Gesicht zum Vorschein kam. Scharfe Gesichtszüge, dünne Lippen und die pergamentartig gespannte Haut des hohen Alters.
»Sie waren schon vor ein paar Tagen da. Zu Besuch bei dem Rocker.«
»Genau.« Ich antwortete sehr höflich und korrekt. Alte Damen, die nichts zu tun haben, können sehr mächtige Verbündete sein.
»Was wollen Sie denn von ihm? Wie ein Vertreter sehen Sie nicht aus.« Sie wandte mir immer die rechte Seite ihres Gesichts zu, wenn sie eine Antwort von mir erwartete. In ihrem Ohr sah ich ein Hörgerät.
»Ich kannte seine verstorbene Frau recht gut und wollte kondolieren.«
»Und heute?«
»Ich bräuchte seine Hilfe, aber er ist nicht zu Hause.«
»Ordentliche Leute arbeiten um diese Zeit. Was ist eigentlich Ihr Beruf?«
Ich antwortete wahrheitsgemäß, ein bisschen ein Titel kann manchmal von Vorteil sein. Nur den ›Professor‹ schummelte ich dazu, klingt einfach besser als Lektor.
»Wobei bräuchten Sie nun seine Hilfe?«
Ich verzog das Gesicht und deutete mit einer
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