Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
Dämonen – Menschen schließen
sich uns immer seltener an. Doch damals jedenfalls war es üblich,
dass alle zusammen aßen – zur Stärkung des
Gemeinschaftsgefühls oder so. Gregor war auf jeden Fall der
Meinung, dass wir dieses Ritual beibehalten sollten. Und so wurde es
langsam zur Pflicht, an den Mahlzeiten teilzunehmen – auch wenn
heutzutage nur die wenigsten Schattenkrieger wirklich etwas essen.“
„ Aber ist das nicht
irgendwie unnötig?“
Tizian ließ ein
leises Lachen hören. „Nee. Ganz bestimmt nicht. Der Krieg
gegen die Sarcones rückt immer näher, viele von uns sind
nur noch am Trainieren. Würde es die Essenszeiten nicht geben,
würden sich einige völlig von den anderen isolieren. Dabei
ist es so wichtig, dass wir uns alle in und auswendig kennen.
Andernfalls haben wir wohl kaum eine Chance, die Sarcones
aufzuhalten. Und darum sind diese Treffen im Speisesaal auch so
notwendig.“ Tizian blieb neben einer hellen Tür stehen,
ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Du
kannst dich selbst davon überzeugen. Tritt ein!“ Dann zog
er die Tür auf und schubste sie in den Saal.
Melica öffnete schon
den Mund, um sich zu beschweren – doch kein Ton verließ
ihre Lippen. Gott, war das krank! Der gigantische Raum sah genauso
aus wie einer dieser berühmt-berüchtigten amerikanischen
Speisesäle. Dort hinten in der Ecke gab es sogar eine
Essensausgabe! Riesige quadratische Tische waren überall im Raum
verteilt, auf den Sitzbänken kauerten Tausende von Dämonen.
Nun ja. „Tausende“ war vielleicht übertrieben. Doch
es waren auf jeden Fall mehr, als Melica erwartet hätte.
Sprachlos wandte sie Tizian ihr Gesicht zu.
Dieser musterte sie
belustigt. „Du siehst überrascht aus.“
Melica tat ihr Bestes, um
den breiten Kloß in ihrer Kehle herunterzuschlucken. Doch
manchmal war auch das Beste nicht gut genug. Sie schaffte es nicht.
Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als heftig gestikulierend
auf die vielen Dämonen zu deuten, die überall im Saal
saßen, miteinander diskutierten und lachten.
Tizian verstand sie
natürlich mit Absicht falsch. „Ich fürchte, du hast
etwas verwechselt: du bist ein Dämon – kein Vogel. Du
kannst nicht fliegen.“
Melica bedachte ihn mit
einem bösen Blick. Schließlich hörte sie diesen Witz
nicht zum ersten Mal. „Warum sind hier denn so viele?“,
krächzte sie schließlich hervor.
Überraschung legte
sich auf Tizians Gesicht. „Viele?“, wiederholte er
verwundert und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen.
„Eigentlich sind zurzeit nur wenige Schattenkrieger im Antrum.
Die knapp 70 Leute hier sind gerade einmal ein Drittel aller
Mitglieder. Einige leben bei ihren Familien und kommen nur hin und
wieder hierher. Die meisten jedoch erledigen Aufträge außerhalb
des Antrums und schaffen es deshalb nicht, jeden Tag hier zu sein.“
Um die 200
Schattenkrieger? Melicas Mund klappte auf. Sie hatte ja noch nicht
einmal gewusst, dass es so viele Dämonen auf der Welt gab! Sie
hatte mit etwas ganz anderem gerechnet. Doch wenn es hier so viele
Schattenkrieger gab – warum hatte Yvonne dann behauptet, sie
hätten zu wenig gute Kämpfer? Die Sarcones konnten doch
wohl kaum aus noch mehr Untoten bestehen!
Endlich gelang es Melica,
den Kloß aus ihrer Kehle zu vertreiben. „Wie viele sind
die Sarcones denn?“
Die Freude verschwand von
Tizians Gesicht. „Zu viele“, murmelte er finster, bevor
er nach ihrer Hand griff und sie auf einen Tisch in der Ecke des
Raumes zuzog.
Ein einziger Mann saß
dort, die Nase in einem dicken Buch vergraben.
„ Jaromir? Darf ich
dir meine Freundin Melica vorstellen?“
Der blonde Mann hob den
Kopf und musterte sie mit einem schüchterten, fast schon scheuen
Ausdruck in den großen Augen. „Die Hexenprinzessin?“,
fragte er dann und strich sich hastig eine Strähne seines dünnen
Haares aus dem Gesicht.
Melicas Augenbrauen
ruckten bei diesen Worten in die Höhe, doch das war nichts im
Vergleich zu Tizians Reaktion. Mit missmutig verschränkten Armen
ließ er sich neben Jaromir auf die Bank fallen.
„Hexenprinzessin“, echote er finster. „Das ist ja
so gemein! Melica ist erst wenige Stunden hier und hat schon einen
coolen Künstlernamen! Warum bekomme ich nicht endlich auch
einen?“
„ Du kannst meinen
Namen haben“, bot Melica ohne zu Zögern an und setzte sich
vor ihn. „Tizian, die Hexenprinzessin – klingt doch gut!“
Tizian stieß ein
lautes Schnauben aus. „Du verstehst das nicht! Ich
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