Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
Unterlippe. „Ich hätte wissen müssen, dass du ein Dämon bist“, sagte sie entschuldigend. „Du siehst einfach nur so schrecklich jung aus.“
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich das schon gehört habe“, erwiderte Yasmina augenrollend, bevor sie Tizian fragend musterte. „Warum seid ihr hier? Versteh mich nicht falsch, ich freue mich natürlich immer, wenn du mal auftauchst, aber-“ Sie lächelte ihn traurig an. „Du besuchst mich nie ohne Grund.“
Täuschte sich Melica oder wirkte der Dämon tatsächlich eine Spur verlegen? „Wir brauchen deine Hilfe, Mina. Melicas Großvater ist wahrscheinlich auf der Suche nach ihr.“
„Sie braucht also eine Kompletterneuerung?“ Yasmina musterte sie kurz. Dann trat ein erwartungsvolles Lächeln auf ihre Lippen. „Ich habe schon lange nicht mehr mit solch tollem Haar gearbeitet. Auf mich könnt ihr zählen.“
~*~
Als Melica einige Stunden später in den Spiegel blickte, wollte sie schreien. Oder weinen, bevorzugt natürlich beides.
Die Frau, die ihr dort erschrocken entgegenstarrte, sah aus wie sie und unterschied sich doch gleichzeitig unendlich von ihr.
Yasmina hatte nicht zu viel versprochen, als sie gesagt hatte, sie würde sich nicht wiedererkennen, wenn sie einmal mit ihr fertig war. Ihre braunen Locken hatten sich in ein Meer aus glatten, hellblonden Haaren verwandelt und hingen ihr nun verstörend ordentlich ins Gesicht. Am gruseligsten fand sie jedoch ihre Augen.
Zuerst hatte sie sich weigern wollen, als Yasmina auf eine der vielen kirschroten Kommoden zugeschritten und ein Paar farbiger Kontaktlinsen hervorgekramt hatte.
Jetzt jedoch war sie ganz froh darüber, dass sie es nicht getan hatte. Mit den eisgrauen Augen sah sie aus wie ein ganz anderer Mensch. Was auch zweifellos der Grund für diese ganze Aktion gewesen war. Ihr Großvater würde sie so niemals erkennen. Zumal sie von Yasmina auch mit einer Reihe Klamotten versorgt worden war, die so gar nicht zu ihr passten. Nicht, dass sie etwas gegen weite Hosen in Tarnfarben hatte – tragen würde sie sie unter normalen Umständen mit Sicherheit nicht. Doch ihr blieb wohl keine andere Wahl, als die Sachen überzuziehen. Schließlich war es wohl kaum eine ernstzunehmende Alternative, weiter in ihren vom Kampf mehr oder weniger durchlöcherten Klamotten durch die Gegend zu rennen. Ein Wunder eigentlich, dass ihr das nicht viel eher aufgefallen war. Aber sie hatte ja ohnehin schon das Gefühl, dass ihr Verstand langsam und unbemerkt vor ihr geflüchtet war.
„Du hast unglaubliche Arbeit geleistet!“, verkündete Tizian, nachdem er Melica einige Sekunden lang nur angestarrt hatte. „Sie sieht einfach toll aus.“
Melica legte gespielt empört ihre Stirn in Falten. „Und davor war ich hässlich oder was?“
„Davor sahst du natürlich auch klasse aus“, bemerkte Tizian schnell und zeigte eine Reihe strahlend weißer Zähne. „Trotzdem: so erkennt dich mit Sicherheit niemand mehr.“
„Solange du noch weißt, wer ich bin, soll es mir Recht sein“, sagte Melica achselzuckend, bevor sie Yasmina neugierig ansah. „Du machst mich nervös. Warum sagst du nichts?“
Langsam löste sich Yasmina aus ihrer Starre, ihr Blick lag jedoch weiterhin nachdenklich auf Melicas Gesicht. „Wir Dämonen kennen alle die Prophezeiung“, begann sie leise. „Es ist seltsam, dich nun zu sehen. Ich weiß nicht warum, aber du bist die eine, die die Macht hat, das Böse aufzuhalten. Du bist die, die uns alle retten kann. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich mir ausgemalt habe, wie du wohl sein würdest, du, die Retterin der Welt. Doch ich hätte nie gedacht, dass die Auserwählte so jung sein würde. Es wird nicht leicht werden.“
Melica schüttelte den Kopf. „Ihr irrt euch. Ich bin nicht die, nach der ihr sucht. So leid es mir auch tut – ich kann euch nicht helfen.“
Yasmina bedachte sie mit einem traurigen Lächeln, das seltsam skurril auf dem Gesicht eines so jungen Mädchens aussah. „Du wirst noch eine Menge lernen müssen. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute. Das Schicksal unserer Welt ruht auf deinen Schultern. Ohne dich sind wir verloren.“
Melica öffnete den Mund – und klappte ihn einige Augenblicke später wieder zu, ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben.
„Ich glaube, wir überfordern sie gerade irgendwie“, murmelte Tizian schließlich.
Melica schüttelte den Kopf, langsam zunächst, dann immer schneller. „Ihr überfordert mich doch nicht“,
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