Seelensturm
Ich fühle mich stark genug, die Taluris aufzuhalten, zumindest für eine Weile.«
»Was macht dich da so sicher? Und wieso solltest du als Illustris dein Leben für deine Schwester lassen? In diesem Fall bist du für die Padre de Luz genauso viel wert wie Amy. Außerdem hast du keine Erfahrungen mit den Taluris und noch nie hattest du eine Begegnung mit ihnen.« Wieder musterte er mich.
»... Oder etwa doch?«
Seine Augen waren kleine Schlitze, die mich neugierig anstarrten.
Nein, nein, nein! In diese Richtung wollte ich dieses Gespräch nicht lenken. Die Gefahr, dass ich mich verraten würde, war zu groß. Ich senkte meinen Blick und suchte fieberhaft nach einer Lüge. Leider war ich darin nicht so talentiert. Zu allem Überfluss spürte ich, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Die Hoffnung, dass er es nicht bemerken würde, schwand mit jeder Sekunde, die verstrich.
»Jade!«, rief er und machte große Augen.
»Was verschweigst du?«
Ich hielt es nicht länger auf dem Stuhl aus und stand auf.
»Nichts!«, gab ich als Antwort, wusste aber sofort, als ich es ausgesprochen hatte, dass es wenig überzeugend klang.
Um ihm die Sicht auf mein errötetes Gesicht zu nehmen, lief ich zu seinem Kätzchen.
»Ich will nur Ihre Hilfe.«
Er schwieg und sein Blick blieb auf mir haften, während ich das schnurrende Kätzchen streichelte.
»Bist du dir sicher, was das für dich bedeutet?« Er trat zu mir, während ich mich erhob und ihn ansah.
»Ja, ich weiß, dass es auch schiefgehen kann. Aber es ist eine Chance, egal ob ich eine Illustris bin oder nicht. Ich kann Amy vielleicht retten, umgekehrt wäre dies wohl kaum möglich.«
Ich versuchte, meiner Stimme einen starken und sicheren Ausdruck zu verleihen. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob es funktionierte. Eine Weile erwiderte er nichts, bis er schließlich anfing, zu nicken.
»Ich kann dir nichts versprechen, Jade. Ich weiß nicht, ob dein Onkel auf mich hören wird. Außerdem liebt er dich und ich kann mir nicht vorstellen, dass er jemals ohne dich von hier fortgehen würde«, gab er zu bedenken.
»Dann müssen Sie ihn überzeugen, oder es mit einem Trick versuchen«, fiel mir spontan ein. Es war mehr ein laut ausgesprochener Gedanke, der mir jedoch, je länger ich darüber nachdachte, immer besser gefiel. Grinsend ging ich zum Tisch zurück, nahm meine Tasse und trank den Tee in einem Zug aus.
»Du bist ein sehr mutiges, junges Mädchen. Ich kenne kein Mädchen, das so viel geben würde, außer …«
»Außer ...?«, fragte ich.
Nachdenklich sah er mich an. »Nichts, Jade. Geh jetzt nach Hause, bevor dein Onkel sich Sorgen macht. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Mr. Chang.«
Ich konnte es nicht erwarten, bis ich Amy davon erzählen konnte. Luca hatte Recht, jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt, um zu verschwinden.
Euphorisch betrat ich unser Schlafzimmer und war enttäuscht, als ich meine Schwester schlafend in ihrem Bett liegen sah. Ich rief sie zwei Mal leise, doch es blieb still in ihrer Ecke, ich konnte nur ihren gleichmäßigen Atem hören.
Na gut, dann würde ich es ihr gleich morgen früh erzählen, dann könnten wir auch Onkel Finley sagen, dass wir bereit waren, hier alles hinter uns zu lassen und Mr. Chang würde sein Übriges tun.
Meine Gedanken kreisten um Luca. Er war gekommen, um mich zu warnen und mir einen Tipp zu geben. Allein diese Tatsache verursachte ein Kribbeln in meinem Bauch. Dieses neue Gefühl wandelte sich in Traurigkeit, weil ich wusste, dass wenn ich ihn das nächste Mal sehen würde, es auch das letzte Mal sein könnte. Das hatte er selbst gesagt und es klang wie eine Warnung. Er riet mir sogar, bis dorthin verschwunden zu sein. Damit schloss ich jedes romantische, zart aufkeimende Gefühl, das ich jemals für ihn empfunden hatte, tief in mir ein. Ich bündelte es und vergrub es in die hintersten Winkel meines Gedächtnisses. Was hatte ich von diesen neuen Emotionen? Wirre Gedankenstränge, die mich davon abbrachten, meinen Plan durchzuziehen.
Kapitel 18 Luca
Ich sollte jetzt gehen, wenn ich nicht entdeckt werden wollte. Es war nicht schwer gewesen, sich auf das Grundstück zu schleichen. Das war es meist nicht. In der Regel waren die Illustris leicht zu täuschen und zu manipulieren. Doch dieses Mal spürte ich den Drang, in ihrer Nähe sein zu wollen.
Bevor ich zurück nach Rom ging, wollte ich sie noch einmal sehen. Ihre Gegenwart brachte mich zwar durcheinander, aber gleichzeitig spürte ich diese
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