Seelensturm
unbeschreibliche Anziehungskraft, die mir sehr gefiel, die mir aber auch unheimlich Angst machte.
Sie war ohne Zweifel die schönste Illustris, die ich jemals gesehen hatte, dennoch wusste ich, dass es früher oder später soweit kommen würde und ich sie töten musste. Im Augenblick wollte ich nicht daran denken. Ganz instinktiv spürte ich, dass ich mit ihr das Geheimnis, das mich umgab, lösen konnte. Mit ihr und durch sie meinen inneren Dämon zwingen könnte, die Antwort preiszugeben.
Lange stand ich nicht in diesem merkwürdigen Schuppen, der mehr einer Spielwiese für sportliche und verspielte Jugendliche glich. Sie spürte mich, das wusste ich. Dennoch genoss ich jeden Augenblick, in dem ich sie beobachten konnte und sie frei und ungezwungen war. Sie tanzen zu sehen war faszinierend. Ihr Körper war überaus anmutig und gleichzeitig kraftvoll. Ihr braunes Haar fiel ihr ins Gesicht und bei der nächsten Bewegung blieben einzelne Strähnen an ihrem Gesicht kleben, was sie wild und unbezähmbar aussehen ließ. Ihre Haut glänzte feucht durch den Schweiß, der durch ihre Poren kam. Mehr als einmal hatte ich mich gefragt, wie es sich wohl anfühlen würde, sie zu berühren, über ihren Hals zu streichen, ihren Atem zu schmecken und ihrer Aura so nahe zu sein. Ihre Brüste zeichneten sich zart unter ihrem Top ab, was meinen Herzschlag beschleunigte.
Anfangs verbot ich mir diese Gedanken, doch diese Gefühle, die sie in mir wachrief, verdrängten alle Regeln und Gesetze, die man mir eingebläut hatte.
Für einen Taluri war es absolut verboten, sich einer Illustris so zu nähern, wie ich es bereits tat. Falls Rom jemals herausfinden würde, welche Anziehungskraft diese wunderschöne Illustris auf mich ausübte, wäre ich meines Todes sicher.
Wir Taluris empfinden nichts, spüren keine Reue, uns plagt kein Gewissen. Doch seit ein paar Wochen war dies bei mir anders. Ich träumte fast jede Nacht von ihr. Höre ihre Rufe, ihre Schreie, fühle etwas, was ich lange nicht deuten konnte. Anfangs raubte es mir den Verstand, und ich tat alles, um meine Träume zu betäuben. Alkohol, Sex, hartes Training, all dies half nicht, um auch nur eine Nacht durchzuschlafen.
Mit niemandem durfte ich darüber sprechen, zu groß war die Gefahr, vor allem für Matteo. Daher machte ich es mit mir selbst aus, bis ich diesen Auftrag bekam, der alles noch viel schlimmer machte.
Sie war so anders, als man uns über die Illustris gelehrt hatte. Entsprach nicht dem, was ich bisher kannte. Sie waren dunkle Seelen, die den Menschen schadeten, die ihre und meine Seele vergifteten. So hatte man es uns gesagt. Oft hatte ich mich gefragt, ob sie meine Seele auch vergiftet hatte.
Erstaunlicherweise fühlte es sich gut an. Es war zwar fremd und ungewöhnlich, aber auf eine Art und Weise wurden diese Emotionen stärker und der Drang, in ihrer Nähe zu sein, sie zu schützen oder sie lachen zu sehen, nahm zu. Mein Wunsch, sie wieder zu sehen, wurde mit jedem Treffen größer. Ich begehrte sie. Schon seit ich sie das erste Mal gesehen hatte, war mein Wunsch, ihrem Körper ganz nahe zu kommen, unersättlich gewesen. Nacht für Nacht lenkte ich meine Träume mit ihren Bildern ab. Ihre Augen sahen mich an. Fast verfluchte ich die Tatsache, dass sie eine Illustris war.
So leise und unauffällig, wie ich gekommen war, verließ ich das feindliche Lager. Sobald ich ihr nicht mehr nahe war, schien sich in mir fast alles wieder zu normalisieren. Nur die Erinnerung, diese seltsamen Emotionen gespürt zu haben, hallte noch in mir nach. Trotzdem veränderte sich etwas in mir mit jeder Begegnung, die ich mit ihr hatte.
Ihre Bereitschaft, sich mit mir zu treffen, war genauso ungewöhnlich, wie dieses Herzklopfen, das ich spürte, wenn ich an sie dachte. Es war nur fair, ihr die Chance zu geben, während meines Aufenthalts in Rom, zu fliehen. Lange könnte ich sie nicht schützen und ich gestand mir ein, dass ich auch diese Illustris töten würde. Aufspüren konnte ich sie überall, egal, wo sie sich versteckte auf dieser Welt. Doch bis es soweit sein würde, hoffte ich, dass ich nicht verrückt wurde und ich bis dahin meine Probleme beseitigt hatte.
In wenigen Stunden würde ich in Rom sein, meiner Heimat. Lange hatte ich meine Brüder nicht gesehen und ich freute mich sehr auf sie. Die Liebe zu unseren Brüdern ist die einzige Emotion, die wir spüren können. Wir fühlen uns gegenseitig verpflichtet, fühlen so etwas wie Familie. Zu keinem Menschen
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