Seelensturm
Leben, verstehst du das denn nicht? Ich sehne mich schon lange nach dir. Ich träume von dir, ich werde noch wahnsinnig, wenn du …«, flüsterte er und es klang verzweifelt. Weiter sprach er nicht, er rang mit seiner Fassung. Er nahm meine Hand und küsste sie, ließ mich nicht aus den Augen. Ich war so sprachlos und ein heilloses Durcheinander entstand in meinem Herzen. Sonst war es immer leicht für mich gewesen, es wieder zu ordnen, doch diesmal war es einfach zu viel.
»Du bist wirklich das Beste, was mir je in meinem Leben passiert ist und ich mag dich wirklich, aber ich kann dir auf deine Frage im Augenblick keine Antwort geben, Tom. Das alles … ist einfach zu viel. Mein Leben ist so sehr aus den Fugen geraten, dass ich nicht weiter weiß. Außerdem, ist dir klar, was für ein Leben dich an meiner Seite erwartet? Ich weiß ja selbst nicht, was noch alles auf mich zukommt und das macht mir Angst. Ich habe so schreckliche Angst«, sagte ich leise, die letzten Worte presste ich nur noch flüsternd heraus und unterdrückte die Panik, die in mir hochkroch.
Er zog mich in seine Arme, drückte mich fest an sich. Er war mein bester Freund, ich wollte ihn nicht verlieren und ihm schon gar nicht wehtun. Doch ich konnte ihm das Versprechen nicht geben, das er sich von mir wünschte. Es ging hier nicht allein um mich. Wäre es nicht vernünftiger, ihn wegzuschicken, wie es Onkel Finley einmal von mir verlangt hatte? Warum war er nur zurückgekommen! Damit erschwerte sich so vieles.
Ich erwiderte den Druck seiner Umarmung und schloss für einen Moment meine Augen. Für eine ganz kurze Weile wollte ich einfach nicht an all diese Probleme denken. Ich schmiegte mein Gesicht an seine Schulter, sog den vertrauten Geruch seines Aftershaves ein, genoss diese Sekunden. Gedankenvoll starrte ich hinaus in die Dunkelheit. Ich sah durch das große Panoramafenster im Wohnzimmer. Eigentlich hätte alles so schön werden können. Doch das Schicksal hatte etwas anderes mit uns allen vor.
Ein dunkler Schatten flatterte auf den Terrassenboden. Neugierig hob ich meinen Kopf von der Schulter und sah auf. Ein weiterer Schatten folgte, glitt zum ersten. Neugierig geworden, löste ich mich aus der Umarmung und spähte angestrengt hinaus. Kobaltblau leuchtete es mir entgegen, während alles andere still und friedlich aussah. Von Weitem sah ich einige Taschenlampenlichter im Park. Sie stammten von den Gorillas, die Onkel Finley auf Patrouille geschickt hatte. Ich erstarrte, als mir bewusst wurde, dass sich Maorikrähen direkt neben dem Pool sammelten. Schon flog die nächste Krähe zu den anderen. Ich hielt den Atem an, beobachtete die Tiere, wie ihr Blick auf unser Haus gerichtet war. Mehr als sechs Krähen befanden sich nun unterhalb der Laterne und es wurden von Sekunde zu Sekunde mehr.
Mein Herz setzte aus und ich hielt den Atem an. Ich wusste, was das nun zu bedeuten hatte. Scharf sog ich die Luft ein und drehte mich ruckartig zu den anderen um, um sie zu warnen. Da schrie Amy plötzlich aus dem oberen Stockwerk auf. Ihr Schrei ging mir durch Mark und Bein und ich wusste, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Mein Gott! Bei ihrem Aufschrei erstarben sofort alle Gespräche und Mr. Chang war der Erste, der zur Wohnzimmertür stürzte, dicht gefolgt von Onkel Finley und Clive.
Sobald die Tür offen stand, war ihr Schrei noch deutlicher zu hören. Sie war völlig hysterisch. Nichts hielt mich länger hier unten. Die Angst um meine Schwester trieb mich furchtlos nach oben. Ich rannte durch die Eingangshalle, die Stufen hinauf. Clive zog seine Pistole aus seinem Hosenbund und auch Mr. Chang zerrte das Schwert, das er in einem Halfter um seine Hüften stecken hatte, heraus.
Schnell waren wir oben bei Amy, die, sobald sie uns entdeckte, weinend in Onkel Finleys Armen zusammenbrach. Mr. Chang und Clive sicherten den oberen Flur und während Amy völlig unter Schock schreiend in das Schlafzimmer von Onkel Finley zeigte, betraten sie vorsichtig das Zimmer.
»Da ist niemand«, rief Clive. Onkel Finley sah zu mir. Betrachtete meine Arme und meinen Hals. Er wusste, ich würde die Taluris spüren, falls sie hier wären. Doch meine Haut fühlte sich normal an. Kein Taluri war in der Nähe.
»Ihr könnt reingehen, Clive. Jade wird es euch sagen, sobald sie es spürt«, rief er ihnen zu.
Ich trat hinter Onkel Finley hervor und sah mich im Flur um, während ich auf jedes noch so kleine Anzeichen meiner Haut achtete.
»Jade, wir
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