Seelensturm
du nicht vergessen«, meinte er gereizt und wandte sich von mir ab und damit war diese Angelegenheit für ihn offenbar erledigt.
»Ich frage mich, was Alegra so lange macht. Kannst du mal nach ihr sehen, Amy? Vielleicht braucht sie Hilfe beim Packen.« Meine Schwester verdrehte die Augen, hüpfte etwas widerwillig vom Barhocker, gehorchte jedoch. Onkel Finley gab währenddessen seinen Leuten weitere Anweisungen. Verwirrt sah ich mich um und sah in Toms Gesicht. Sein Blick ruhte ernst auf mir.
»Tom, wir können ihn nicht hier lassen.«
»Jade, bist du wahnsinnig? Wir können ihn genauso wenig mitnehmen! Er ist ein Mörder, der es auf dich abgesehen hat.«
»Das ist nicht wahr. Du hast doch selbst gehört, dass er … Gefühle empfinden kann und dass ihn eigentlich keine Schuld trifft. Außerdem hat er mir mehr als einmal das Leben gerettet und er hatte schon oft die Möglichkeit, mir etwas anzutun und hat es nicht getan«, brauste ich verteidigend auf. Ich konnte nicht glauben, wie grausam Onkel Finley war. Aber dass sich Tom ausgerechnet auf die Seite von Onkel Finley stellen würde, damit hatte ich nicht gerechnet.
»Lass nur, Jade. Ist schon in Ordnung«, sagte Luca leise. Sein Blick war sanft, warm und fast zärtlich, ich konnte es auf meiner Haut wahrnehmen. Es fühlte sich wie eine Liebkosung an. Ich erwiderte seinen Blick und legte all meinen Kampfgeist und meine Freundschaft hinein, um ihm nur ein Stück davon wieder zugeben, was er mir geschenkt hatte.
»Ich bin es dir schuldig, Luca. Ich lasse dich hier nicht zurück.«
»Das solltest du aber. Für mich ist es zu spät. Geh endlich, verschwinde so schnell du kannst, bitte. Bring dich in Sicherheit.«
Lange blieb mein Blick auf Luca haften, wie er mich flehend darum bat, ihn hier zurückzulassen. Konnte ich das? Alles in mir sträubte sich dagegen, doch kein Wort kam über meine Lippen. Nein! Ich würde ihn nicht hier lassen. Ich musste ihn retten. Irgendwie …
Dass Tom neben mir stand, hatte ich völlig ausgeblendet. Er beobachtete uns und seine Augen hatten sich zu zwei kleinen Schlitzen verengt. Ich spürte seine Abwehrhaltung Luca gegenüber.
»Wie lange werden die Taluris noch brauchen, bis sie hier sind?«, kam nun plötzlich die Frage von Onkel Finley.
Luca sah auf und blickte hinaus in die Dunkelheit. »Das ist schwer zu sagen. Da ich schon seit längerer Zeit fehle, haben sie bestimmt ihren Plan geändert. Ein paar Stunden vielleicht, oder auch nur noch Minuten. Ich weiß es nicht. Es wäre ratsam, dass ihr schnell verschwindet.«
Onkel Finley rief Mr. Chang zu sich und sie verschwanden in die hinterste Ecke des Wohnzimmers.
»Hör auf, dich für einen Mörder starkzumachen. Ich denke, ihr habt nun wichtigere Probleme«, flüsterte Tom.
Ich verzog mein Gesicht und zog ihn zum großen Fenster, wo wir einigermaßen ungestört miteinander reden konnten.
»Aber ich kann ihn nicht hier zurücklassen, verstehst du das nicht? Auch wenn er viele Mädchen getötet hat, er kann doch nichts dafür. Er wurde vergiftet, Tom. Wenn wir ihn zurücklassen, ist es genauso Mord und ich will keine Mörderin sein. Außerdem …«, ich sah zu Luca, »bin ich es ihm schuldig.«
Sekundenlang sagte Tom kein Wort. Er versuchte, mich zu verstehen, doch sein Verständnis für den Taluri hielt sich in Grenzen. Ich sah es ihm deutlich an.
»Und was ist mit mir?«, fragte er noch leiser, sodass ich mich anstrengen musste, ihn zu verstehen. Schweigend sah ich in sein Gesicht und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.
»Du bist mir noch eine Antwort schuldig. Ich weiß, es klingt egoistisch und ich verlange viel von dir, gerade jetzt. Aber ich muss wissen, ob du für mich das Gleiche empfindest.« Seine Augen sahen mich fragend und hoffnungsvoll an. Er litt und es tat mir in der Seele weh.
»Tom, ich …«, mehr brachte ich in dem Augenblick nicht zustande, ich war noch nicht einmal fähig, etwas zu fühlen. Ich wusste nur, dass wir hier weg sollten, und das so schnell wie möglich. Toms Leben war genauso in Gefahr wie mein eigenes. Er würde mit uns kommen müssen, während Lucas Schicksal ungewiss war. Die Worte, die Tom von mir hören wollte, konnte ich nicht sagen, was mich unsicher werden ließ.
»Du weißt, dass ich dich liebe. Aber, ...«
»Dieses „Aber“ stört mich, Jade. Wenn du mich wirklich liebst, dann gibt es kein „Aber“. Ich will mit dir zusammen sein, ganz egal, was das alles hier zu bedeuten hat. Ich liebe dich mehr als mein
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