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Seelensturm

Seelensturm

Titel: Seelensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Any Cherubim
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erklärt hatte.
    "Die meisten Illustris haben die Begabung, durch eine Berührung kleinere Krankheiten zu mildern."
    Flach legte ich meine Hände auf seinen Körper, in der Hoffnung, ihm einen Teil meiner angeblichen Heilkraft zu übertragen. Ich konzentrierte mich, schloss meine Augen und wünschte mir nichts Sehnlicheres, als ihn zu heilen. Mit geschlossenen Augen suchte ich meine Strahlung, wollte sie wie bei Luca von mir strömen lassen. Doch nichts geschah. Er würde sterben, wenn ich sie nicht sofort fand. Erwartungsvoll sah er mich an. Ich konnte seinen Blick nicht ertragen. Es lag so viel Vorwurf darin, als ich resigniert meine Schulter hängen ließ und Tränen über meine Wangen liefen.
    »Ich kann es nicht, Onkel«, flüsterte ich und senkte beschämt meinen Kopf.
    »Hol Amy«, forderte er mit letzter Kraft.
    Was sollte ich ihm sagen? Die Wahrheit? Nein, das wäre grausam. Sein ganzes Leben hatte er für uns gekämpft, war immer um unsere Sicherheit besorgt gewesen. Aber es verletzte mich sehr, dass er mir selbst in den letzten Minuten seines Lebens das Gefühl gab, weniger wert zu sein als meine Schwester. »Sie ist nicht hier«, sagte ich leise.
    Verwirrt sah er mich an. Seine Augen wurden zu kleinen Schlitzen und die Wärme, die ich sonst immer in seinen Augen gesehen hatte, verschwand. Mehr noch, Verachtung und Kälte kam mir entgegen. »Deine einzige Aufgabe bestand darin, auf deine Schwester aufzupassen und nicht mal das schaffst du?«, brachte er noch mühsam hervor.
    Verdutzt sah ich ihn an, wollte nicht wahrhaben, welche Worte gerade aus seinem Mund gekommen waren. Es fühlte sich wie ein Messer an, das er direkt in mein Herz gerammt hatte. Wieso sagte er so etwas? Nach allem, was ich bereit gewesen war, aufzugeben? Nach allem, was ich für uns alle getan hatte? Ich schluckte.
    Hitze entflammte in mir, breitete sich in meinem Körper aus, wandelte meine Enttäuschung und meine seelischen Verletzungen in Wut und Zorn. Neue, unbekannte Flammenzungen loderten auf und ließen meine Aura rot-gold leuchten. Entsetzt wich Luca zurück. Glut brodelte in meinem ganzen Körper und Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, bis ich die angestaute Wut nicht länger zurückhalten konnte. Der Zwang, die Worte auszusprechen, die mir Erleichterung verschaffen würden, war so viel stärker, als dass ich sie zurückhalten konnte.
    »Sie ist tot.«
    Kaum hatte ich diese Lüge ausgesprochen, wichen die Feuerzungen zurück, wurden kleiner und erloschen schließlich. Nichts war mehr da von der Glut, die wie ein Feuersturm meinen Körper, meine Gedanken und meine Sprache eingenommen hatte. Erschrocken über mich selbst, sah ich zu, wie Tränen aus Onkel Finleys Augen traten und nur Sekunden später wurde sein Blick starr und sein Herzschlag, den ich durch meine Hände gespürt hatte, schwächer. Schließlich verstummte das Pochen in seiner Brust für immer.
     
    Mr. Chang überdeckte sein Gesicht mit einem weißen Tuch und führte mich anschließend zurück zu den Sitzen. Das laute Motorengeräusch des Flugzeuges nahm ich schon lange nicht mehr wahr. Zu sehr war ich in Gedanken, dachte über vieles nach, versuchte noch mehr zu verstehen, doch ich kam zu keinem Ergebnis. Das einzige, was ich empfand, waren Hass, Ungerechtigkeit und Hilflosigkeit. Ich hatte alles verloren, was mir wichtig war - alles! Ich fühlte mich leer und die Schwärze, die aus mir strahlte, hüllte mich völlig ein.
    Den Feuersturm, der in mir vorher wütete, konnte ich nicht erklären. Die noch glimmende Glut hinterließ den aufkeimenden Gedanken, dass ich Onkel Finley getötet hatte. Mit seinen verletzenden Worten schürte er meine Wut. Ich konnte es nicht länger kontrollieren. Zorn hatte meinen Geist übernommen. All die Jahre zuvor sah ich in ihm den liebenswerten und fürsorglichen Onkel, doch mit seinem letzten Satz sprach er all die Worte aus, die mich erkennen ließen, dass ich nie mehr als nur Mittel zum Zweck für ihn gewesen war. Er wollte, dass ich ihn heilte. Er wollte, dass ich ihn vor dem Tod bewahre. Und was tat ich? Ich ließ ihn einfach sterben, in der Gewissheit, dass er auch seinen Kampf um Amy und mich, verloren hatte. Ich fühlte mich schlecht, ich hatte versagt. Wenn die Illustris früher heilen konnten, wieso konnte ich es jetzt nicht? Warum war ich nicht in der Lage gewesen, ihn zu retten? Ich konnte die Taluris spüren. Hatte sogar das Obsensium neutralisiert. Gegenseitig konnten wir unsere Stimmung durch unsere

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