Seelensturm
dass der Vogel nicht wieder kam, lief ich in unsere Halle.
Mr. Chang war gerade dabei, einen Parkour aufzubauen. »Ah, Jade! Gut, dass du kommst. Du kannst mir helfen«, sagte er und griff nach den Enden einer dicken Matte und wartete darauf, dass ich mit anfasste.
»Mr. Chang, haben Sie mitbekommen, was draußen auf dem See los war?«, fragte ich ihn. Ich half ihm und gemeinsam trugen wir die Matte ein paar Meter und legten sie hinter einem Schwebebalken auf den Boden.
»Nein. Was denn?«, wollte er wissen, als wir die nächste Matte ergriffen. Ich erzählte ihm die Geschichte, die ich eben beobachtet hatte. Aufmerksam hörte er zu. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Selbst als ich den Vogel vertreiben wollte, ließ er sich von mir nicht stören. Aber er war irgendwie schön! Ich hatte wirklich den Eindruck, dass er den Schwänen noch einmal einen Schrecken einjagen wollte, bevor er wegflog.«
Mitten in der Bewegung hielt Mr. Chang inne. »Wie sah der Vogel genau aus?«
Ich dachte kurz nach. »Er war schwarz, ziemlich groß und hatte leuchtend blaue Flecken im Gesicht. Er sah wirklich wunderschön aus.«
Mr. Chang sah mich sekundenlang sprachlos an.
»Kennen Sie diese Vogelart?«
»Bist du dir sicher, dass dieser Vogel blaue Wangen hatte?«, fragte er.
»Ja, ich habe ihn genau gesehen. Er war ungewöhnlich groß und hatte diese blauen Wangen. Warum fragen Sie? Kennen Sie diese Art?«
Mr. Chang sah auf seine Armbanduhr. »War es das erste Mal, dass du ihn gesehen hast?«, wollte er wissen, ohne dass er auf meine Frage einging.
Ich runzelte die Stirn. »Ja, ... ich meine, ... er ist mir noch nie vorher aufgefallen. Warum? Stimmt etwas nicht?«
»Nein, nein. Wenn dieser Vogel so aussah, wie du ihn beschrieben hast, dann könnte es sich um eine Maori-Krähe handeln. Sie stammt aus dem 18. Jahrhundert und war die größte Rasse ihrer Art. Sie galt eigentlich als ausgestorben, aber genau kann ich es nicht sagen«, sagte er, schien jedoch mit seinen Gedanken woanders zu sein. »Ich bin gleich wieder bei dir. ... Ich habe etwas vergessen«, sagte er und lief eilig in die Umkleide. Nachdenklich sah ich ihm hinterher.
Wow, eine ausgestorbene Rasse! Bestimmt irrte er sich, das wäre ja eine Sensation in Bayville. Es dauerte nicht lange, und er kam zurück. »Lass uns anfangen, Jade.«
Das folgende Training war sehr anstrengend, ich hatte den Eindruck, er forderte mehr von mir als sonst. Er scheuchte mich durch die Halle, als wäre der Teufel hinter mir her. Von Kraft- und Ausdauertraining durch verschiedene Techniken, bis hin zu Schlag- und Trittübungen. Er zeigte mir, wie ich meinen Körper besser schützen konnte und gleichzeitig, wie sich Tritte und Schläge besser platzieren ließen.
Stunden vergingen, bis ich völlig erschöpft und ausgepowert auf der Matte liegen blieb, als Mr. Chang mich, wie so oft während des Trainings, zu Fall gebracht hatte.
Kapitel 4
Meine Gedanken kreisten ständig um diesen Typen, der gestern Nacht in mir die verrücktesten Gefühle ausgelöst hatte. Dieser seltsame Blick hallte intensiv in mir nach, sodass ich immer darüber nachdenken musste. Matteo hatte Amy ihn genannt. Wenn sie seinen Vornamen kannte, dann vielleicht auch seinen Nachnamen. Ich musste sie bei Gelegenheit danach fragen.
Mein Handy klingelte und riss mich aus meinen Gedanken, als ich nach dem Training unser Zimmer betrat. Ich sehnte mich nach einer Dusche. »Hallo?«
»Hi, Jade. Ich bin es. Ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist. Du hast dich gestern Nacht nicht mehr gemeldet.«
Mist! Das hatte ich total vergessen. »Oh, hi, Tom. Tut mir leid, es war gestern so spät und ich habe länger geschlafen als sonst. Aber alles ist in Ordnung. Niemand hat bemerkt, dass wir das Grundstück verlassen haben. Wir hatten Glück«, entschuldigte ich mich bei ihm.
»Das kannst du laut sagen. Was glaubst du, wäre los gewesen, wenn euch jemand gesehen hätte oder der Alarm ausgelöst worden wäre«, sagte Tom.
»Ja, das stimmt. Aber ich frage mich, wie Amy herausgefunden hat, dass sie über dieses Mauerstück klettern kann«, dachte ich laut.
»Vielleicht war es nicht das erste Mal, dass sie verschwunden ist«, überlegte er.
»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber ich bin froh, dass ich es rausgefunden habe. Du darfst es vorerst niemandem erzählen, ja?«
»Nein, natürlich nicht. Aber klär das mit ihr. Ihr muss klar werden, welchen Ärger sie sich einhandelt und so wie ich Finley
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