Seelensturm
kann sehen, dass etwas nicht stimmt. Und das schon den ganzen Morgen«, beschwor sie mich. Doch was sollte ich ihr sagen? Die Wahrheit? Was genau war die Wahrheit? Ich hatte keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte. Ich war so durcheinander und stand völlig neben mir. Irgendeine Erklärung musste ich ihr ja geben. Fragend sah sie mich an. Ich wusste nicht, was ich ihr erzählen sollte. Müde lehnte ich mich an die Hauswand und senkte meinen Blick.
»Amy, … «, begann ich, »Ich will auf keinen Fall, dass du jetzt denkst, dass ich dir hinterher laufe. Ich …«
Unsere Aufmerksamkeit wurde durch ein lautes, knatterndes Motorengeräusch abgelenkt. Aus einer Querstraße fuhr ein Motorradfahrer mit überhöhter Geschwindigkeit auf die Hauptstraße zu, in der wir standen. Der aufheulende Motor war sehr laut, und als der Fahrer das Motorrad auf den Bürgersteig lenkte, geschah alles sehr schnell.
Er stieß mit dem Fuß mehrere Mülleimer um, die laut scheppernd auf die Straße flogen. Ein Fahrrad, das jemand auf dem Gehweg abgestellt hatte, trat er während der Fahrt heftig, so dass es krachend gegen ein parkendes Auto geschleudert wurde. Der Fahrer war völlig in schwarze Lederkluft gekleidet, und auch durch seinen Helm konnte man nichts erkennen. Er kam direkt auf uns zu. Plötzlich blitzte etwas Silbernes auf. Zuerst konnte ich nicht erkennen, um was es sich genau handelte. Völlig schockiert waren Amy und ich, unfähig, zu reagieren. Ich wusste nur, dass gleich etwas Schreckliches passieren würde. Als der Fahrer immer näherkam, erkannte ich ein Schwert in seiner Hand. Wieder fing mein Blut an zu rasen und das Pochen meiner Haut nahm ich diesmal nur abgestumpft wahr. In meinem Körper kribbelte es und ich spürte Energie in mir aufkochen, die ich nicht kannte. Weiße Blitze sah ich vor meinen Augen. Exakt in dem Augenblick, bevor der Fahrer das Schwert in seiner linken Hand hochhob, um uns damit zu verletzten, stieß ich mich von der Gebäudewand ab. Ich umschlang Amys Körper und sprang mit aller Kraft auf die Straße. Im letzten Moment fuhr er an uns vorbei und verfehlte uns mit dem Schwert nur knapp. Er kam kurz ins Schleudern, schaffte es aber, sich auf dem Bike zu halten. Er erhöhte sein Tempo wieder und fuhr direkt auf der Hauptstraße weiter bis er verschwand.
Bei unserem Aufprall schrie Amy laut auf und auch ich verspürte einen Schmerz an meiner Hüfte. Der Teerboden, auf dem wir gelandet waren, war hart. Vielleicht zu hart. Angst, sie könnte verletzt sein, beschlich mich und ließ mich sofort nach ihr sehen.
Ich lag direkt auf ihr. Panik durchfuhr mich, als ich sah, dass sie ihre Augen geschlossen hielt. Ich rutschte von ihr und unterdrückte mit schmerzverzerrtem Gesicht einen kleinen Aufschrei.
»Amy!«, schrie ich. »Mein Gott, Amy!«
Erst einige Augenblicke später bekam ich mit, wie Mr. Chang neben uns kniete und Amys Puls fühlte.
»Hab keine Angst. Sie ist nur bewusstlos«, sagte er und legte seine Hand auf meine Schulter. Wie kam er so schnell hierher?
Er lächelte mich freundlich an und schon strömte es grün aus mir. Passanten und die Gäste des Roberts waren mit entsetzten Gesichtern auf die Straße gelaufen und starrten uns ungläubig an.
»Steht doch nicht so blöd da! Tut etwas! Ruft einen Krankenwagen, sofort!«, schrie ich aufgebracht. Sofort bewegten sich einige Leute.
Amy lag immer noch regungslos da, Mr. Chang nahm seine Jacke und knautschte sie zusammen. Vorsichtig hob er ihren Kopf an und drückte die Jacke unter ihren Kopf, damit er nicht länger auf dem Asphalt lag. Sachte berührte ich ihre Schulter und rüttelte sie sanft.
»Amy, bitte! Wach auf! Bitte!«, flehte ich. Tränen standen mir in den Augen. Als sie meine Sicht trübten, flossen sie durch ein Blinzeln über meine Wangen.
Nach einer halben Ewigkeit zuckten ihre Augenlider. Sie öffnete ihre Augen und sah mich an. Langsam schien sich ihr Blick zu klären und ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen.
»Was ist geschehen?«, fragte sie und versuchte, sich aufzurichten. Aus der Ferne hörte ich die Sirenen des Krankenwagens. Sie stöhnte schmerzvoll auf, als sie ihre rechte Hand bewegen wollte.
»Au, das tut weh!«, schimpfte sie.
»Leg dich wieder hin. Der Krankenwagen ist gleich da. Die werden sich um dich kümmern. Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut werden«, versuchte ich, sie zu beruhigen. Behutsam legte sie sich wieder hin.
»Ach, das Motorrad!« Jetzt fiel es ihr wieder ein. Ich
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