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Seelensturm

Seelensturm

Titel: Seelensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Any Cherubim
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vertrieben. Tom, Amy und ich hatten ganz oft Verstecken gespielt. Jedes Mal war Onkel Finley fast in Panik geraten, wenn er Amy oder mich nicht gleich gefunden hatte. Damals fand ich seine Reaktion total übertrieben. Doch jetzt kannte ich ja wenigstens den Grund dafür.
    Auf der kleinen Kletterburg spielten Amy und ich Prinzessinnen. Fast liebevoll streichelte ich das Holz, als ich in diesen Erinnerungen gefangen war. Erneut rannen Tränen über meine Wangen und meine Gefühle machten mich immer trauriger, je mehr Kindheitserinnerungen in mir hochkamen. Ich wischte die Tränen an meinem Ärmel ab und setzte mich an den Sandkastenrand. Ich nahm eine Handvoll Sand. Er knirschte leise und rieselte durch meine Finger. Mein Blick schweifte über die Hausdächer, die ich von Weitem sehen konnte. Ich liebte Bayville und es würde mir sehr fehlen.
    So traurig ich auch war, die Geschichte wollte mir einfach nicht in den Kopf. Schon immer hatte ich es als meine Aufgabe gesehen, auf meine Schwester aufzupassen. Von Anfang an war es ein tiefes Bedürfnis, das sich heute nochmals verstärkt hatte. War es vielleicht mein Schicksal, sie zu schützen? Der Augenblick, in dem ich diese merkwürdige Energie gespürt hatte und es geschafft, Amy und mich zu retten, fiel mir ein. Es fühlte sich richtig an. Ich fühlte mich stark und lebendig, kräftig genug, um mich vor sie zu stellen. Lieber würde ich sterben, als zuzulassen, dass jemand meiner Schwester etwas antat. Ja, ich würde kämpfen, bis ich völlig erschöpft zusammenbrechen würde. Diese Taluris würden niemals gewinnen. Ganz egal, wie mächtig sie sein mochten.
     
    Den restlichen Sand in meiner Hand streifte ich ab, als ich beschlossen hatte, alles zu tun, um diese Teufel nicht gewinnen zu lassen. Plötzlich horchte ich auf. War da ein Geräusch? Sofort waren meine Sinne geschärft und ich erhob mich. Was war das? Ein Tier? Vorsichtig versuchte ich, hinter der Baumgruppe vor dem Wald etwas erkennen zu können. Es war zu dunkel. Vielleicht hatte ich mich getäuscht, doch ich spürte, ganz instinktiv, dass ich in Gefahr war. Dieses verdächtige Pochen meiner Haut verriet es mir. Was jetzt? Flucht oder Kampf? War ich überhaupt schon so weit? Vielleicht sollte ich die Flucht vorziehen. Ruckartig drehte ich mich um, als ...
    »Bleib ..., bitte!«, sagte eine männliche Stimme.
    Erschrocken sah ich zu den Bäumen und erst jetzt konnte ich etwas erkennen. Eine dunkle Gestalt. Trotz der Entfernung konnte ich doch deutliche Konturen sehen. Die Stimme war tief, melodisch und es lag eine Sanftheit darin, die irgendwie schön klang. Es war der Kerl von heute Nachmittag aus dem Wald. War er ein Taluri?
    »Wer bist du?«, fragte ich und war stolz, dass meine Stimme dieses Mal fest und sicher klang.
    Er antwortete nicht gleich, ließ mich ein paar Sekunden einfach nur da stehen.
    »Das weißt du doch, oder?« Seine Stimme klang jetzt gefährlich.
    Ja, ich wusste, wer er war, und ich spürte die Gefahr, die von ihm ausging. Ich fühlte die Hitze in meinem Gesicht, auf meinem Hals und an den Armen. Schnell zog ich meine Kapuze tiefer ins Gesicht, damit er mich nicht anblicken konnte.
    »Komm einen Schritt näher, damit ich dich besser sehen kann«, forderte ich ihn auf.
    »Das kann ich nicht.«
    Wieso konnte er das nicht? Heute Mittag stand er noch näher bei mir und es ging schließlich auch. Wenn ich ihn besser sehen würde, könnte ich seine Bewegungen besser einschätzen, falls er etwas vorhatte. Also beschloss ich, ein paar Schritte in seine Richtung zu gehen.
    »Nein! Bleib sofort stehen! Hörst du?«, schrie er auf.
    Abrupt hielt ich in meiner Bewegung inne. Ich war noch keinen Schritt vorwärts getreten und schon hatte er mein Vorhaben erkannt. Er musste nicht nur über enorme Kräfte verfügen, sondern auch über unglaubliche Instinkte. Mit einer Handbewegung wischte ich mir die letzten Tränen aus meinem Gesicht. Wie lange stand er schon dort? Hatte er mitbekommen, dass ich geweint hatte? Stille herrschte zwischen uns. Die Hitze meiner Haut nahm weiter zu und im Mondlicht sah ich, wie sich die roten Linien auf meinem Unterarm langsam bildeten. Schnell zog ich die Ärmel meines Pullovers ganz über meine Hände, um sie zu verdecken.
    »Du weißt, wer ich bin, oder?«, wiederholte er seine Frage.
    Ich wusste es. Ich spürte es. »Ja, das weiß ich.«
    Wieder entstand diese Stille und ich wagte kaum zu atmen. Was würde er jetzt tun? War er gekommen, um mich zu töten? War ich sein

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