Seelensturm
zusammen.«
Ich stand vom Sofa auf. Am liebsten wäre ich aus dem Arbeitszimmer gerannt, hinaus in den Park.
»Und vorerst kein Wort zu Amy, verstanden?« Ich nickte schwach, bevor ich das Arbeitszimmer verließ.
Kapitel 7
Es war schon spät, als das restliche Sicherheitspersonal nach kurzen Einweisungen von Frank seine Stellung bezog. Nach einer kurzen Diskussion war Onkel Finley letztlich bereit gewesen, schlafen zu gehen und die Flucht auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben. Ich hatte mich hellwach unter meiner Decke verkrochen. Das war wirklich die mit Abstand unglaublichste Geschichte, die ich jemals gehört hatte. Im Dunkeln sah ich zu Amy rüber. Sie schlief tief und fest und sie hatte noch von allem keinen blassen Schimmer. Wie würde sie reagieren, wenn sie von ihrem Schicksal erfuhr? Mein Instinkt sagte mir schon immer, dass ich sie beschützen musste, genau, wie Onkel Finley es schon immer getan und es auch von mir erwartet hatte. Nur wo sollten wir hin? Gab es wirklich einen Ort, an dem wir sicher sein konnten? Onkel Finley war es gelungen, uns siebzehn Jahre lang versteckt zu halten. Warum sollte er es dieses Mal nicht schaffen? Was erwartete uns in dem neuen Leben? Nie konnten wir unbeschwert wie andere Jugendliche unsere Jugend genießen. Wir mussten immer auf der Hut sein. Immer! Wir wären ständig auf der Flucht, würden in ständiger Angst leben und unser Misstrauen Fremden gegenüber würde noch größer werden.
Ich kannte das Gefühl von Freiheit nicht wirklich, doch ich hatte einen leisen Vorgeschmack bekommen, sich frei und unbefangen zu bewegen, als ich Amy aus dem Club holte. Insgeheim hatte ich mich darauf gefreut, die Grundstücksmauern hin und wieder hinter mir lassen zu können und den Duft von Freiheit besser kennenzulernen. Wenigstens einmal wollte ich das Gefühl schmecken. Nur einmal, wenn ich schon dies alles hier aufgeben musste.
Leise zog ich mich an, eine Jeans und ein dunkles Shirt. Ich band meine Haare zusammen und versteckte sie unter der Kapuze. Konnte ich mir heute Nacht diesen Luxus von Freiheit leisten, oder war es zu gefährlich? Hatte nicht Mr. Chang gesagt, dass die Taluris nicht so kurz hintereinander angreifen würden?
Ganz vorsichtig öffnete ich das Fenster und beim Sprung auf die Linde raschelten die Blätter so verdächtig laut, dass ich kurz innehielt. Abwartend, ob sich jemand rührte oder der Alarm anschlug, hing ich im Baum. Mein Herz klopfte laut. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Sicherheitsleute mein Onkel auf dem Grundstück postiert hatte, ich sah jedenfalls niemanden. Als alles ruhig blieb, kletterte ich langsam hinunter und lief geduckt an den Büschen entlang. Meine Angst, erwischt zu werden, wuchs, als ich mich der Mauer näherte, deren Alarmsignal hoffentlich immer noch unterbrochen war. Vielleicht hatten sie es jetzt überprüft und herausgefunden, dass es hier im Sicherheitssystem eine Lücke gab? Kurz überlegte ich, doch dann ging ich das Risiko ein, sprang auf den kleinen Absatz und hievte mich hinauf. Der Alarm wurde nicht ausgelöst und alles blieb ruhig.
Mit einem kurzen Sprung landete ich auf dem Bürgersteig. Geschafft! Ich wunderte mich, wie mutig ich war. Sonst war dies eigentlich Amys Part.
Ich sah mich um. Ich war allein. Jetzt konnte ich endlich einen kurzen Spaziergang in der Freiheit unternehmen. Ich begann, locker zu joggen und fühlte mich mit jedem Schritt, den ich tat, freier. Ich spürte buchstäblich den Abstand zum Grundstück, zu meinem Leben, zu unserem Schicksal und zu dem, was heute passiert war. Es war wie eine Tür, durch die ich hindurchging und später wieder zurück laufen würde. Ich dachte an Tom, an Agnes, an Sandy, meine Lehrer, unsere Freunde, an all die Menschen, die wir zurücklassen müssten. Von den meisten könnten wir uns nicht verabschieden. Es schmerzte mich. Tränen standen in meinen Augen. Ich war ein ganzes Stück von Zuhause entfernt. Meine Traurigkeit wurde größer und ich fing an, hemmungslos zu schluchzen. Niemand konnte mich weder hören noch sehen und ich war froh über die Dunkelheit, die mich umhüllte. Meine Schritte wurden langsamer, bis ich schließlich stand. Tief atmete ich ein und versuchte mich zu beruhigen, ging dann weiter zum Spielplatz, der auf der anderen Seite des Village Woods Park lag. Ich verband damit schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit. Agnes war oft mit uns her gekommen. Manchmal hatten wir ein Picknick gemacht und uns die Zeit mit spielen
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