Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
mit dem Flaschenöffner herum.
»Da seid ihr ja«, sagte Wolfgang fröhlich und zeigte auf die Plätze, auf die sie sich sowieso immer setzten. »Wo hast du den ganzen Tag über gesteckt?«, fragte er seinen Sohn.
Peter zuckte mit den Achseln. »Hier und da.«
Maren sah ihn verwundert an. Dann hatte Peter den Tag gar nicht mit seinem Vater zusammen verbracht? Seit über fünf Jahren versuchten die beiden nun schon, einen Landmaschinenhandel in der Region zu etablieren. Der Erfolg war bisher leider eher bescheiden.
Plötzlich räusperte sich Peter und starrte seine Mutter an.
»Sag mal, hat sich Opa während des Krieges eigentlich Verwundungen zugezogen?«
Hannelore musterte ihren Sohn einen Moment, als ob Peter den Verstand verloren hätte.
»Wie kommst du ausgerechnet jetzt darauf?«
Als Antwort schüttelte Peter nur den Kopf.
»Wilhelm hat sich schlimm am rechten Knie verletzt. Die Kniescheibe war so gut wie zertrümmert. Er konnte nie wieder richtig gehen und zog das Bein nach. Treppen wurden für ihn eine Qual.«
Wolfgang stieß ein freudloses Lachen aus. »Sein linkes Knie war aber auch im Eimer«, erzählte er dann.
Hannelore nickte. »Da hatte ihn ein Ast getroffen. Weiß der Teufel, wie das passiert ist. Mein Vater redete nie darüber. Jedenfalls hatte es ihm die halbe Hautschicht weggerissen. Was war das für eine Narbe!« Hannelore tippte gedankenverloren auf das Besteck vor ihr. »Obwohl es sich nur um eine Fleischwunde handelte, tat ihm die Stelle dort Jahrzehnte später noch immer höllisch weh, wenn beispielsweise das Wetter umschlug.«
Wolfgang nahm seine Bierflasche auf und nickte zustimmend.
»War schon ordentlich verkrüppelt, der Alte«, sagte er wenig freundlich. »Geht eben an die Substanz, stets in vorderster Linie an der Front zu kämpfen.«
Hannelore schnaubte wie ein Pferd. Mit verkniffenem Gesicht starrte sie auf ihre Hände.
»Sein Gehirn war auch verkrüppelt«, schimpfte sie. »Mutter und mich einfach sitzen zu lassen.«
Maren atmete leise aus. Meine Güte, was herrschte in dieser Familie für Hass. Anscheinend waren all die Ereignisse nie richtig aufgearbeitet worden.
Lackner neben ihr fing leicht an zu zittern. Maren warf ihm einen abschätzenden Blick zu und war überrascht, dass der Alte schwitzte. Seine Hände krallten sich in die braune Tischdecke, und es sah aus, als ob Lackner sich nur mühsam beherrschen konnte. Was ärgerte ihn so? Soweit Maren wusste, waren Lackner und Peters Opa gut befreundet gewesen. Störte es ihn, wenn Hannelore dermaßen respektlos über ihren Vater sprach?
Peter begann, unruhig mit dem Stuhl zu kippeln. Sein Gesicht sah kreidebleich aus, die weit geöffneten Augen fixierten irgendeinen Punkt an der gegenüberliegenden Wand.
Behutsam strich Maren durch seine Haare.
»Hey, Schatz, alles klar mit dir?«
Zuerst sah es so aus, als hätte Peter gar nichts gehört. Dann aber zuckten seine Mundwinkel, und sein Kopf drehte sich wie in Zeitlupe zu ihr.
»Ja«, sagte er tonlos, nur um im nächsten Moment wieder gegen die Wand zu stieren.
Irgendetwas schien ihn schwer mitgenommen zu haben.
So beiläufig wie möglich stand Maren auf und zog dabei auch Peter mit nach oben. Glücklicherweise folgte er ihrer Bewegung bereitwillig.
»Ich glaube, wir gehen rüber«, sagte sie. »Die Woche steckt uns in den Knochen.«
Die letzten Strahlen der Sonne verwandelten den Himmel in ein atemberaubendes Spektrum aus Rot- und Orangetönen. Als die Haustür hinter ihnen zugefallen war, legte Maren ihrem Freund einen Arm und die Taille.
Peter wollte geradewegs auf das Nebenhaus zusteuern, doch Maren drückte ihn mit sanfter Gewalt in Richtung Wiese.
Das Gras raschelte leicht, und eine angenehm kühle Luft wehte über die Felder.
»Was war mit dir los beim Abendessen? Du sahst aus wie ein Gespenst.«
Peter lächelte und fuhr sich mit den Händen durch seine wunderschönen dunkelblonden Haare, die an den Spitzen hellblond gefärbt waren.
»Es ist verrückt«, antwortete er nach einer Weile.
»Was ist verrückt? Und wieso hast du nach den Kriegsverletzungen deines Opas gefragt? Ist es wegen dieser ... Erlebnisse?«
Peter ging in die Hocke und setzte sich schließlich auf die Wiese.
»Komm her«, sagte er und winkte einladend.
Maren ließ sich fallen und schaute auf den kleinen See, dessen Wasser winzige Wellen schlug und auf dem eine Entenfamilie langsam ihre Bahnen zog.
»Du weißt doch noch, was ich dir heute Morgen erzählt habe?«, begann Peter.
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