Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
an. Karl Gustav war überzeugt, dass die Dirne aufspringen und wegrennen würde, aber sie blieb sitzen. Sie konnte das Messer hinter seinem Rücken ja auch nicht sehen. Karl Gustav spürte den fein gerillten Gummigriff an den Fingern. Es würde ihm ein Vergnügen sein, die Waffe endlich wieder zum Einsatz zu bringen. Abrupt blieb er stehen und rang sich ein Lächeln ab. Nun galt es, auf den richtigen Moment zu warten.
»Wie geht’s?«
Seine Stimme hörte sich furchtbar krächzend an.
Anstatt zu antworten, musterte ihn Maren nur argwöhnisch. Die Kleine hatte Angst vor ihm, ihre Wachsamkeit konnte man fast riechen. Warum hatte er sie bis dato nicht einfach in Ruhe gelassen? Dann wäre sie jetzt nicht so übervorsichtig. So würde es schwierig werden, den Stich präzise zu setzen.
Aber was waren das für dunkle Gedanken? Er musste handeln. Es würde schon alles ein gutes Ende nehmen. Karl Gustav rannte die letzten paar Meter auf Maren zu. Er hatte es überhaupt nicht vorgehabt, aber über seine Lippen kam ein urtümlicher Schrei, während das Messer in seiner Hand ruckartig nach vorn schnellte.
Er war überzeugt davon, flink wie ein Wiesel zu sein. Ihm schien völlig klar, dass dieses Weib nicht den Hauch einer Chance haben würde. Sie würde gar nicht mitkriegen, wie seine treue Klinge durch ihre Lunge schnitt oder ihr das Herz zerfetzte.
Leider war dem nicht so.
Noch bevor das Messer überhaupt in ihre Nähe kam, verschwand Maren aus seiner Stoßrichtung. Sie rollte sich einfach nach schräg vorn ab, als wäre ihr plötzlich in den Sinn gekommen, einen Purzelbaum zu schlagen. Karl Gustav sah ihren Körper unter seinen hinwegtauchen und versuchte, die Waffe herumzureißen. Es war noch nicht zu spät, ihren Rücken aufzuschlitzen.
Im nächsten Augenblick kam ihm das Gleichgewicht abhanden. Seine Füße stießen gegen den Treppenabsatz, und sein Körper fiel der Länge nach hin, direkt durch die offen stehende Tür in den Hausflur hinein. Als sein Kopf auf den Boden schlug, war Karl Gustav fast dankbar dafür, dass Peter dicke Auslegeware verlegt hatte. Seine Nase knackte und begann zu bluten, sein Brillenbügel brach.
Während er Zeit brauchte, um wieder zu Atem zu kommen, ertönte hinter ihm ein erstickter Laut. Das Flittchen war noch ganz nah, hatte wahrscheinlich einen Schock erlitten und kauerte japsend in einer der Kuhlen auf dem Hof.
Sein Blick fiel auf das Messer, welches direkt neben der Haustür lag. Wenn seine Knochen mitspielten, konnte die Tat noch zu Ende gebracht werden. Karl Gustav wollte gerade einen Versuch starten, um in die Höhe zu kommen, als ihn jemand grob am Genick packte. Seine Arme wurden nach hinten gebogen und sein Körper zur Seite gedreht.
Vor ihm tauchte das schreckensbleiche Gesicht von Peter auf.
»Was geht hier vor?«, schrie Wolfgangs Sohn und spie ihm winzige Speicheltropfen ins Gesicht.
Karl Gustav dachte überhaupt nicht daran zu antworten. Peter versetzte ihm einen energischen Schubs, der ihn noch ein Stück tiefer in die Wohnung beförderte, und baute sich drohend vor ihm auf. Dahinter war ein weiterer Schatten auf dem Flur auszumachen. Es war Maren, die eben durch den Eingang kam. Ihr linker Ellbogen blutete leicht.
»Dieser Mistkerl hat versucht, mich umzubringen«, stellte das Flittchen mit erstaunlich ruhiger Stimme fest. Oder war es Fassungslosigkeit?
Maren schloss die Haustür von innen, und Karl Gustav wurde klar, dass er erneut versagt hatte.
20
Peter knallte das Messer auf den Küchentisch.
»Was hat das zu bedeuten?«, schrie er den Alten an.
Maren strich sich durch die Haare und lächelte matt. Mittlerweile war die ganze Familie in Peters kleiner Küche versammelt. Wolfgang war aufgetaucht, unmittelbar nachdem Maren den Flur betreten hatte. Selbst Hannelore hatte den Radau gehört und war auf dem Hof erschienen, um nach dem Rechten zu sehen, obwohl Maren sich nicht erinnern konnte, irgendeinen Laut von sich gegeben zu haben. Reflexartig hatte sie sich geduckt, als sie das Messer in Lackners Hand gesehen hatte. Sie hatte sich abgerollt, wie vor langer Zeit beim Schlittschuhlaufen gelernt.
Die Sommerhitze hatte die Küche aufgeheizt, doch ihr war kalt. Mit verschränkten Armen saß sie neben Peter und betrachtete den provisorischen Verband, den Hannelore ihr gemacht hatte. Die Wunde war nicht tief und tat eigentlich gar nicht mehr weh. Es kostete ihr trotzdem einige Anstrengung, nicht zu zittern. Aber wer sollte es ihr verübeln?
Es hatte eine Weile
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