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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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ein kleines Haus am Wasser. Das hat Jenny von mir gewollt, meine Erinnerungen. Ich wollte über Michael reden, aber sie hat gesagt, dass ich nicht über ihn sprechen soll.» Mattie machte eine Pause und langte gierig nach noch einer Praline. «Ich fand das unfair. Jenny ist ja nicht mal lang geblieben. Sie hat es immer eilig gehabt, wieder zu ihrer richtigen Arbeit zu kommen, zu den Kindern, um die sie sich jetzt kümmert. Manchmal war es, als ob ich ihr ganz egal wäre. Sie wollte nur was über dieses Haus auf dem Land wissen, und sie hat gesagt, ich soll die Augen zumachen und es mir vorstellen und ihr sagen, was ich sehen kann.»
    Einen Augenblick lang saßen sie sich schweigend gegenüber, und Mattie machte wieder die Augen zu. Ashworth wollte sie gerade bitten, ihm zu sagen, was sie sah, es ihm vielleicht aufzuzeichnen, aber da fing eine Frau im Gefängnistrakt an zu schreien, und der Zauber war gebrochen. Mattie schlug die Augen wieder auf. «Die dumme Kuh», sagte sie. «Das macht die andauernd. Am liebsten würde ich ihr eine runterhauen.»
    «Wieso sind Sie in Pflege gekommen?», fragte Joe.
    «Keine Ahnung.» Mattie starrte ins Leere. Er dachte, sie würde gleich anfangen zu weinen, doch sie wandte sich ihm mit trockenen Augen wieder zu und sagte ganz sachlich: «Ich glaube, meine Mum ist gestorben. Oder vielleicht war das nur das, was ich glauben wollte. Als ich älter war, habe ich ein paar Fragen gestellt, aber jeder hat mir was anderes erzählt. Am Ende weiß man gar nicht mehr, wem man glauben soll.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Fünfunddreißig
    Der Wärter an der Pforte gab Joe sein Handy wieder, und während er durch den Regen vom Gefängnis zurück zu seinem Wagen lief, schaltete er es ein. Es klingelte sofort. Allerdings war es nicht die Box mit einer Nachricht von Connie, sondern Vera. Er dachte: Entweder hat sie mich alle fünf Minuten angerufen, oder sie hat es einfach im Gefühl, wie lang solche Besuche im Gefängnis dauern. Ganz kurz schoss ihm der bizarre Einfall durch den Kopf, dass sie ja womöglich eine Art telepathischer Verbindung zu ihm besaß, aber die Vorstellung war so gruselig, dass er sie gleich wieder aus seinen Gedanken verbannte.
    «Wie ist es gelaufen?» Ihre Stimme klang vergnügt, doch er ließ sich nicht täuschen. Aufgaben zu delegieren lag ihr einfach nicht. Im Büro herumzusitzen, während er die ganze Arbeit erledigte, das war der pure Horror für sie.
    Er setzte sich in den Wagen, und sie ließ ihn die Befragung beinahe Wort für Wort noch einmal durchgehen, während der Regen aufs Autodach prasselte.
    «Fein», sagte sie schließlich. «Wirklich, ganz ausgezeichnet. Ich hätte auch mit ihr reden können, aber ich weiß ja, worauf ich aus bin, und hätte ihr nur Suggestivfragen gestellt. Sie ist schon immer leicht beeinflussbar gewesen.»
    Er hütete sich davor, zu fragen, was denn so bedeutsam war. Vera würde es ihm schon sagen, wenn sie wollte, dass er es erfuhr. «Irgendwas Neues von Connie?»
    «Nicht dass ich wüsste.»
    «Was soll das heißen?», fragte Ashworth. «Wo ist sie?»
    «Oh, das weiß ich nicht.» Sie klang ungeduldig. «Aber ich kann mir vorstellen, wer sie versteckt hält.» Mit so was brachte Vera ihn immer zur Raserei.
    «Was soll ich jetzt tun?»
    «Fahren Sie zurück ins Tyne Valley», sagte sie. «Ich bin auch schon auf dem Weg dorthin.»
     
    Sie saßen in der Lounge des Willows, deren Fenster zum Fluss hinausgingen. Er war über die Ufer getreten, und die aufgeschüttete Zufahrt zum Hotel sah aus wie eine Zugbrücke über einem Burggraben, die einzige Möglichkeit, ins Gebäude zu kommen. Auf dem Parkplatz stapelten sich Sandsäcke. Ryan Taylor holte Ashworth am Empfang ab und brachte ihn in die Lounge, wo Vera schon wartete. Er sagte, es werde vor Überschwemmungen gewarnt. Wenn es heute Nacht so weiterregne, werde bald das ganze Tal unter Wasser stehen. Außerdem sei eine Springflut angekündigt, und das verschlimmere die Lage immer, sogar so weit landeinwärts wie hier. Das Hotel selbst liege hoch genug, da könne nichts passieren, aber das Letzte, was sie wollten, seien hier gestrandete Gäste oder Mitglieder des Fitness-Clubs, die nicht hereinkämen, deshalb habe er vor, beiderseits der Zufahrt einen Wall aus Sandsäcken zu errichten.
    Nach Veras Reaktion am Telefon hatte Ashworth erwartet, sie gutgelaunt anzutreffen. Sie hatte den Anschein erweckt, der Fall sei so gut wie gelöst und sie könnten noch vor Ende des Tages jemanden

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