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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Jenny auch, Connie solle nach der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub erst einmal ein paar leichtere Fälle betreuen.
    Als Connie sagte, Michael sei irgendwie seltsam, runzelte Jenny wieder die Stirn. «Seltsam? Wie seltsam?» Vielleicht lag es daran, dass das Wort so mit Vorurteilen beladen und Jenny von Grund auf tolerant war, vielleicht verstand sie es aber wirklich nicht und wollte, dass Connie es ihr erklärte.
    Connie rang um die richtigen Worte. «Er hat eine gute Ausbildung, arbeitet in einem Zentrum für alternative Heilmethoden in Tynemouth. Er macht Akupunktur. Ich habe mich gefragt, wieso er sich mit Mattie und dem Kleinen abgeben sollte.»
    «Ist er einer von denen, die nach verlorenen Seelen Ausschau halten?» Und Jenny lachte. «Die kennen wir Sozialarbeiter doch nur zu gut.»
    «Er sagt kaum was.» Connie wollte ihrem Unbehagen über diesen Mann noch deutlicher Ausdruck verleihen. Sie wollte, dass es so klang, als hätte sie alles gründlich überprüft, obwohl sie ihn nur ein einziges Mal gesehen hatte. «Er sitzt nur da und lächelt. Ich habe mich schon gefragt, ob er vielleicht irgendwie auf Drogen ist. Oder krank. Verrückt.»
    «Keine Vorstrafen.» Und wieder runzelte Jenny die Stirn. «Aber wir sollten das Ganze im Auge behalten. Vertrauen Sie am besten auf Ihren Instinkt.»
    Also hatte Connie Mattie weiterhin besucht. Sie war regelrecht froh gewesen, einen Vorwand für diese Besuche zu haben, denn Matties Wohnung stellte eine Oase der Ruhe dar zwischen all den fluchenden Eltern, den Wohnungen, in denen es nach Pisse und Schlimmerem roch und Babys herumkrabbelten, deren Hintern aus stinkenden Windeln rutschten. Mattie kochte ihr immer einen Kräutertee in einem großen Becher mit Sonnenblumen. Ihre Wohnung war schon immer aufgeräumt gewesen, aber jetzt standen auch Bücher in den Regalen. Keine Romane, sondern ganze Bände über Religion und alternative Heilmethoden. Und auf dem Fußboden lagen Teppiche, in einer Vase standen Blumen. Man sah nur keine Spielsachen, das fiel Connie auf. Nirgendwo lag etwas herum. Inzwischen konnte Alice laufen, und bei ihnen daheim sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Sie sprach Mattie darauf an, die nervös wirkte. «Michael kann’s nicht leiden, wenn überall was rumliegt», sagte sie. Bei ihrem nächsten Besuch kam Connie erst, als Elias schon von der Schule zurück war. Er saß am Tisch und machte Hausaufgaben. Als Connie hereinkam, blickte er auf, lächelte aber nicht. Spielsachen waren immer noch keine zu sehen.
    Frank verließ sie ein halbes Jahr, nachdem Alice zwei geworden war. Sein Auszug kam für Connie völlig unerwartet. In letzter Zeit hatten sie kaum Streit gehabt. Dann und wann hatte er sich über das Durcheinander aufgeregt, in das ihr häusliches Leben abgeglitten war, aber er war klug genug, nicht ihr allein die Schuld daran zu geben. Sie hatte geglaubt, alles wäre in Ordnung, und insgeheim sogar schon an ein zweites Kind gedacht. Vielleicht war es ihm gelungen, eine gewisse Harmonie aufrechtzuerhalten, weil er schon wusste, dass er eines baldigen Tages ausziehen würde, weil er sich an den langen Samstagnachmittagen, wenn Connie mit Alice spielte oder bügelte, mit der knochigen Designerin tröstete, während er angeblich ein neues Stück einstudierte. Wahrscheinlich, so nahm sie heute an, hatte er ein Leben in ehelichem Glück einstudiert.
    Alice zuliebe und um bei der Arbeit den Anschein zu wahren, nahm Connie sich zusammen. Absolut undenkbar, dass sie im Büro der heiligen Jenny einen Zusammenbruch bekam. Sie brauchte kein Mitleid. «Eine einvernehmliche Trennung», sagte sie ihren Kollegen. Das war am gleichen Tag, an dem Elias’ Klassenlehrerin bei Connie anrief, um ihr zu sagen, dass sie sich Sorgen um den Jungen machte.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Zehn
    «Sie haben dann eine Fallbesprechung abgehalten», sagte Vera. Sie hielt gerade ihre eigene Fallbesprechung ab, in der Einsatzzentrale in Kimmerston. Das ganze Team war da: Joe Ashworth, ihre rechte Hand; die Lieblingsschülerin, die schöne Holly; und der alte Charlie, mit verquollenen Augen und zerknautschten Klamotten. Und Billy, der Chef der Spurensicherung, der, wie Vera manchmal dachte, mehr Verstand in seinem kleinen Finger hatte als der ganze Rest des Teams zusammen, auch wenn sein Schwanz immer auf Abwege geriet. «So was machen Sozialarbeiter offenbar, wenn sie nicht sicher sind, was sie unternehmen sollen.»
    Das Wetter war umgeschlagen, draußen wurde

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