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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Sozialarbeiterin den ganzen Nachmittag mit einem einzigen Kind verbringt. Wo es doch keinen ernsthaften Grund zur Besorgnis gab. Ich dachte immer, die ertrinken alle in Arbeit.»
    «Das hier war ein besonderes Kind», sagte Ashworth. «Ihr Hätschelkind, wenn du so willst. Und wie die Chefin schon sagte: Sie haben Mattie ja schon lang gekannt, sie gehörte fast zur Familie. Offenbar haben sie sich für ihren Sohn ganz besonders verantwortlich gefühlt.»
    Er ließ keinen Ärger über die Unterbrechung erkennen und fuhr fort, als wäre nichts gewesen. «Also haben sie einen Nachmittag draußen am Meer verbracht. Longsands, Tynemouth, mit Schaufel und Eimer, Sandwiches und Limonade. Elias hatte jede Menge Spaß, er hat Sandburgen gebaut und Ball gespielt. Connie hat ihm Fragen über den Freund seiner Mutter gestellt: ‹Was ist mit Michael? Geht er auch mal mit dir spielen?› Aber es kam keine Antwort. Nicht mal: ‹Er ist ganz okay.› Elias hat sich einfach geweigert, über ihn zu reden.»
    Er hielt inne, und einen Augenblick lang konnten sie das Summen eines Druckers im Nebenraum hören, den Regen vor dem Fenster, den Berufsverkehr auf der Straße, der allmählich dichter wurde.
    «Und dann, als sie eigentlich schon wieder nach Hause wollten, schlug Connie vor, noch kurz planschen zu gehen. ‹Wenn wir schon am Strand sind, müssen wir uns doch wenigstens mal die Füße nass machen!› Elias sträubte sich, aber sie nahm ihn einfach bei der Hand und führte ihn an den Rand des Wassers. Als es ihm über die Zehen lief, schrie er auf, und Connie dachte, die Kälte hätte ihn erschreckt. Dann kam eine etwas größere Welle und spritzte ihn nass, und da ist er offenbar panisch geworden und hat sich an ihr festgeklammert, und sie musste ihn tragen, den Strand hoch auf den trockenen Sand. Sie hat dann versucht, seiner Panik auf den Grund zu kommen. Hatte er Angst, Mattie und Michael würden böse auf ihn sein, wegen der nassen Sachen? Kein Problem – sie würde ihnen sagen, dass es ihre Schuld war. Aber er hatte schon wieder komplett dichtgemacht. Als sie ihn dann vor der Wohnung absetzte, spürte sie, dass sie nicht das Geringste erreicht hatte.»
    «Und das hast du alles aus dem Bericht, ja?», fragte Holly skeptisch. Sie war ehrgeizig, und wenn sie mit Ashworth zusammenarbeitete, war da immer auch eine gewisse Rivalität im Spiel.
    Ashworth sah sie an. «Ja», sagte er. «So ziemlich. Masters war Journalistin, bevor sie zur Sozialarbeit gekommen ist. Sie weiß, wie man eine gute Story schreibt.»
    Wieder schwiegen alle, und Vera dachte, dass sie jetzt dort waren, dort am Strand mit dem Jungen, und dass sie sich fragten: Was hätte ich getan? Und die Ehrlichen unter ihnen wussten wohl, dass sie nichts getan hätten. Ein kleiner Junge, der ein bisschen verweichlicht war und Angst bekam, wenn man ihn nassspritzte. Das reichte wohl kaum aus, um ihn aus seiner Familie zu nehmen. Der Richter hätte einem ins Gesicht gelacht. Sie selbst wurde schließlich panisch, wenn ihr Wasser ins Gesicht spritzte.
    Ashworth fuhr fort, von Connie Masters zu erzählen. «Ein paar Wochen später hat sie der Familie abends einen Besuch abgestattet. Unangemeldet. Elias war schon im Bett, und sie konnte ihn nicht sehen, aber deshalb war sie auch gar nicht gekommen. In der Schule hatte man ja ein Auge auf ihn, und sie wollte mit der Mutter reden und mit dem Kerl, der faktisch Elias’ Stiefvater geworden war. Anscheinend lief alles sehr gesittet ab. Nach außen hin jedenfalls. Michael saß am Tisch und schrieb etwas – wohl für die Arbeit –, und Mattie spülte das Geschirr vom Abendessen. Masters fiel auf, dass Mattie ziemlich unterwürfig wirkte und ihm alles recht machen wollte.»
    Charlie blickte auf. «Es gab Zeiten», sagte er, «da hätte man nichts Ungewöhnliches daran gefunden, dass der Mann arbeitet und die Frau das Abendbrot für ihn richtet.» Wieder hustete er und lehnte sich dann stumm zurück. Sie wussten alle, dass seine Frau ihn verlassen hatte, und beachteten ihn nicht weiter.
    «Ihr fiel noch was auf.» Ashworth redete weiter, als hätte Charlie gar nichts gesagt. «Der Fernseher war weg. Als sie noch mit dem Jungen allein gewesen war, hatte Mattie gern ferngesehen und über die Soaps gesprochen, als wären die Figuren darin echte Menschen. Masters erkundigte sich danach. Sie dachte, er wäre vielleicht bei der Reparatur, oder sie warteten auf einen neuen. ‹Michael hält nichts vom Fernsehen›, sagte Mattie. ‹Er

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