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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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glaubt, das macht einen ganz dumpf im Kopf.› Es war nicht direkt eine Antwort auf die Frage.»
    Während sie in ihrer Ecke lehnte und zuhörte, überlegte Vera, dass man manchmal doch genau das wollte. Dumpf im Kopf werden. Die Droge ihrer Wahl war Whisky, aber sie wusste, dass es Leute gab, bei denen nur das Fernsehen funktionierte, die endlosen Wiederholungen von
Morse
und
Midsomer Murders
, die Schönheits- und die Castingshows, damit sie am Abend in den Schlaf fanden.
    «Also setzten sie sich zusammen», fuhr Ashworth fort. «Mattie Jones, Connie Masters und Michael Morgan. Masters erklärte ihnen, dass sie sich Sorgen um Elias machten. In der Schule sei er unkonzentriert und launisch. Ob ihnen zu Hause aufgefallen sei, dass er sich irgendwie verändert hatte? Und Mattie – die Masters zufolge schon an ihren besten Tagen alles andere als redegewandt war, ein zerbrechliches, hübsches Ding, und selbst fast noch ein Kind – schüttelte nur den Kopf und sah traurig vor sich hin.» Ashworth blickte Holly direkt in die Augen. «Und das Folgende habe ich wortwörtlich aus den Untersuchungsakten. Michael sagte, er habe versucht, sich mit dem Jungen anzufreunden. ‹Aber ich komme mit Kindern nicht so gut klar. Bin zu sehr mit mir selbst beschäftigt, fürchte ich.› Und dann überraschte er Masters, die nicht damit gerechnet hatte, dass so schnell etwas passieren würde, und fügte an: ‹Schauen Sie, wenn es so kompliziert ist, sollte ich vielleicht ausziehen. Ich möchte Mattie und Elias nicht das Leben schwermachen. Das ist das Letzte, was ich will.› Und Morgan hielt Wort. Schon am Wochenende war er verschwunden. Er hatte zwar versprochen, mit Mattie in Kontakt zu bleiben, war aber wieder in seine Wohnung in dem Zentrum für alternative Heilmethoden gezogen, die er nie so richtig aufgegeben hatte.»
    Vera löste ihren Hintern von der Fensterbank. Zeit für sie, das Ganze wieder in die Hand zu nehmen. Wenn sie es Ashworth überließ, würden sie noch den ganzen Tag hier drinnen verbringen.
    «Alle, die damit befasst waren, stießen einen Seufzer der Erleichterung aus», fiel sie ein, «und dachten, das Problem wäre jetzt gelöst. Wenn tatsächlich etwas mit dem Jungen nicht gestimmt hatte, dann war der Grund für den Ärger jetzt ja beseitigt. Jenny Lister war die Einzige, die weiterhin zur Vorsicht riet. Sie sagte, Connie könnte nicht davon ausgehen, dass Michael Morgan die Ursache für die Ängste des Kleinen war, und wies sie an, weiter regelmäßig dort vorbeizuschauen. Mattie wäre ein verstörtes Geschöpf, sagte sie, und man müsste sie weiterhin überwachen und unterstützen. Sie schickte allen, die an der Fallbesprechung damals teilgenommen hatten, eine E-Mail, in der das ungefähr so stand. Aber Connie wurde von ihren anderen Fällen abgelenkt: Familien mit Problemen, die dringlicher erschienen. Und ihr eigenes Privatleben war ein einziges Chaos. Sie stattete Mattie ein paar Stippvisiten ab, und die sagte ihr, dass alles in Ordnung wäre, aber Elias bekam sie nicht mehr zu sehen. Anscheinend hat nach jenem Gespräch in der Wohnung auch niemand mehr mit Michael geredet. In der Untersuchung, die auf Elias’ Tod folgte, kam dann heraus, dass der Junge immer noch Probleme in der Schule gehabt hatte, die Lehrerin wegen Jennys E-Mail aber geglaubt hatte, dass Connie sich um den Fall kümmerte. Vor etwas über einem Jahr ist der Kleine ums Leben gekommen. In der Badewanne ertrunken. Mattie hat ihn ertränkt. Erst hat sie gesagt, dass es ein Unfall gewesen wäre, aber beim Polizeiverhör hat sie dann zugegeben, dass sie ihn umgebracht hat. Sie hat ihm die Schuld daran gegeben, dass Michael ausgezogen ist. Und vielleicht hat sie ja gedacht, dass der Mann zu ihr zurückkommen würde, wenn der Junge nicht mehr da ist.»
    Vera blickte sich im Zimmer um. Alle schenkten ihr die volle Aufmerksamkeit. Niemand machte eine dumme Bemerkung oder rollte mit den Augen, um anzudeuten, dass ihm langsam die Geduld ausging. Normalerweise wollten sie immer, dass sich etwas tat; der Tod eines Kindes aber ging ihnen nahe und ließ sie ruhig und schweigsam werden.
    «Die Beamten, die den Tod des Kindes untersuchten, haben mit Michael gesprochen. Offenbar ist das Baden für den Jungen immer traumatisch gewesen. Beim Verhör hat Mattie zugegeben, dass sie das Wasser als Strafe benutzt hat, dass sie Elias untergetaucht hat, bis er keine Luft mehr bekam.» Veras Stimme blieb ruhig, aber sie stellte sich die Szene vor ihrem

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