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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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die uns hassten. Wir haben ihre Fähigkeiten als Eltern in Frage gestellt, sind in ihre Wohnungen eingedrungen und haben sie vor den Nachbarn unfähig oder grausam aussehen lassen. Was glauben Sie denn, wie die darauf reagiert haben? Oft sind sie gewalttätig oder ausfällig geworden.» Sie hielt einen Augenblick inne. «Aber ob ich glaube, dass einer von Jennys Schützlingen sie umgebracht hat? Ganz sicher nicht. Die meisten von denen kriegen ihr Leben nicht in den Griff, weswegen ihre Kinder ja auch in Gefahr sind. Einen solchen Mord könnten die gar nicht planen. Die kämen nicht mal bis zum Willows, geschweige denn, dass sie sich irgendwie in den Fitness-Club einschmuggeln könnten. Ich habe keine Ahnung, wer Jenny Lister umgebracht hat, aber es würde mich schon sehr überraschen, wenn es irgendwas damit zu tun hätte, dass sie Sozialarbeiterin war.»
    Sie räumte die Kaffeebecher zusammen und brachte sie in die Küche, dann kam sie zurück in das kleine Wohnzimmer und zog sich Straßenschuhe an. Ashworth folgte ihr nach draußen. Er war sich nicht sicher, ob es gesund war, auf diesem feuchten Grundstück so nah am Wasser zu wohnen. Der Garten war völlig überwuchert. In einer Ecke schoss der Rhabarber aus dem Boden, und inmitten des Rasens wuchs Schöllkraut. «Glauben Sie, dass Sie hier länger wohnen bleiben?» Das konnte er sich nicht vorstellen. Wie sie schon gesagt hatte, sie war eher ein Stadtmensch.
    «Du lieber Himmel, nein!» Sie schnitt eine Grimasse. «Ich musste nur unbedingt den Zeitungsleuten entkommen, und Frank, mein Ex, kennt die Eigentümer. Aber ich glaube nicht, dass ich den nächsten Winter hier überstehen würde.»
    An dem kleinen Tor, das ganz grün und moosig war, blieb sie kurz stehen.
    «Da war ein Fremder im Dorf», sagte sie. «Gestern Nachmittag. Gleich nach dem Mittagessen. Das ist wahrscheinlich nicht wichtig. Er wollte nicht zu Jenny.»
    «Warum erzählen Sie es mir nicht trotzdem?»
    Sie sah auf ihre Uhr, um sich zu vergewissern, dass sie noch ein paar Minuten Zeit hatte.
    «Es war irgendwie komisch. Nach dem Essen sind wir nach draußen gegangen – zum ersten Mal war es so richtig schön –, und da war er. Alice hat ihn auf der Brücke entdeckt. Er hat gesagt, er wäre mit dem Bus da. Er wollte zu Veronica Eliot. Sie wohnt in dem großen weißen Haus gleich da vorn an der Kreuzung. Ich habe ihm gesagt, dass sie, als ich daran vorbeigegangen bin, nicht da war. Dann habe ich ihm vorgeschlagen, hier zu warten, und ihm einen Tee angeboten.»
    «Warum haben Sie das gemacht?» Ashworth hielt auch im günstigsten Fall nichts davon, Risiken einzugehen. Und bei einer allein lebenden Frau war es doch reiner Wahnsinn, einen Fremden ins Haus zu bitten.
    «Ich weiß auch nicht. Ich war einsam. Seit die Leute das mit Elias herausgefunden haben, behandeln sie mich hier wie eine Aussätzige. Ich wollte mit einem Erwachsenen reden, und er schien in Ordnung zu sein. Aber Alice wollte ich auch nicht mit ihm allein lassen, deshalb habe ich sie mit ins Haus genommen, um den Tee zu machen. Und als wir dann zurückgekommen sind, war er verschwunden. Wie ich schon sagte: Komisch. Aber vielleicht hat er ja gesehen, wie Veronica in ihre Auffahrt biegt. Oder vielleicht hat er es sich einfach anders überlegt und wollte nicht mit einer verrückten, verzweifelten Hausfrau und ihrem Kind rumsitzen.»
    Connie lächelte kurz und traurig und eilte dann auf dem schlammigen Pfad davon.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Zwölf
    Als die Teambesprechung vorüber war, setzte Vera sich für einen Moment in ihr Büro. Sie wollte ihre Gedanken ordnen. Ashworth hatte sie nach Barnard Bridge geschickt, damit er mit Connie Masters sprach. Holly und Charlie waren zurück ins Willows gefahren und befragten die Hotelangestellten, die am Vortag nicht da gewesen waren. Während Vera auf die Straße hinunterschaute, wo der Wochenmarkt bereits in vollem Gange war, dachte sie, dass die Wahl des Fitness-Clubs als Schauplatz für einen Mord doch etwas bedeuten müsse. Warum sollte der Täter die Frau dort umbringen, wo er jede Sekunde entdeckt werden konnte? Es musste doch andere, weniger gefährliche Tatorte geben. Jennys Mörder musste gewusst haben, dass sie Club-Mitglied war, oder er war ihr dorthin gefolgt. Das würde auf einen Stalker hindeuten, auf ein vorsätzliches, über lange Zeit geplantes Verbrechen. Oder aber, dachte Vera, das Motiv war viel einfacher und banaler, und Jenny war umgebracht worden, weil sie im

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